Moskau/Kiew – Die Ukraine steuert auf den Staatsbankrott zu: Nachdem Kiew die Rückzahlung eines am Sonntag fällig gewordenen Drei-Milliarden-Kredits an Russland per Moratorium gestoppt hatte, bereitet Moskau eine Klage vor. Russland habe das Moratorium zur Kenntnis genommen, bestehe aber weiter auf der Zahlung, betonte Russlands Finanzminister Anton Siluanow. "Wenn die Ukraine die aufgelaufene Summe nicht bis zum Ende der Schonfrist am 31. Dezember überweist, dann geht Russland vor Gericht, um das Geld zwangsweise einzuziehen", sagte er.

Vor dem Londoner Gericht setzt Russland auf einen schnellen Sieg. Der Fakt des Zahlungsausfalls sei leicht festzustellen. "In dem Sinne haben unsere Kollegen aus der Ukraine als potenzielle Prozessteilnehmer keine Chance, ihn zu gewinnen", prognostizierte Siluanows Vize Sergej Stortschak.

Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk seinerseits betonte zwar, die Ukraine sei bereit für einen Rechtsstreit, doch in der ukrainischen Regierung ist man sich der Risiken durchaus bewusst: Finanzministerin Natalja Jaresko erklärte, sie hoffe auf eine außergerichtliche Einigung.

Rating vor weiterer Abstufung

Eine Niederlage vor Gericht wäre mit massiven Problemen verbunden: Die Ratingagenturen würden das Land offiziell für pleite erklären. "Die Folge wäre die Kürzung von Krediten nicht nur für die Ukraine, sondern auch für ukrainische Unternehmen, die weitere Schließung von Märkten für ukrainische Waren, da in der globalen Praxis der Kauf in solchen Ländern als riskant gilt", warnte Wsewolod Stepanjuk, Politik- und Wirtschaftsexperte des Instituts für Weltwirtschaft an der ukrainischen Nationalen Akademie der Wissenschaften. Die Entwicklung der nächsten zwei bis drei Jahre wäre weiter erschwert.

"Bestechungsgeld"

Seit Monaten brodelt der Streit über die Art der Schulden – kommerziell oder souverän? Präsident Petro Poroschenko bezeichnete den Kredit, den noch sein Vorgänger Wiktor Janukowitsch erhalten hatte, provokativ als "Bestechungsgeld". Kiews Position, es handle sich um einen kommerziellen Kredit und Moskau habe daher die Bedingungen der übrigen Gläubiger, die einem 20-prozentigen Schuldenschnitt zustimmten, zu übernehmen, hatte zuletzt einen herben Dämpfer erlitten, als der Internationale Währungsfonds (IWF) die drei Milliarden als Staatsschuld einstufte.

Die IWF-Kredite selbst wären aber auch bei einer potenziellen Pleite der Ukraine nicht in Gefahr. Die Kreditorganisation hatte zu Monatsbeginn die Vergaberegeln speziell für den Fall geändert, um den im März vereinbarten Kredit über 17,5 Milliarden Dollar weiter auszahlen zu können. (ab, 21.12.2015)