Wien – Einen Ethikverstoß ortet der Presserat in einem Artikel der Tageszeitung "Heute" vom August diesen Jahres. Der Text über eine religiös motivierte Messerattacke gegen eine 16-Jährige wurde in der Gratis-Zeitung mit einem Foto illustriert, das den jüdischen Extremisten dabei zeigt, wie er der jungen Frau in den Rücken sticht. Das Opfer ist mittlerweile gestorben.

Der zuständige Senat des Presserats sieht darin eine Verletzung der Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex der österreichischen Presse. Christian Nusser, Chefredakteur der Zeitung, argumentierte in einer Stellungnahme im Presseratsverfahren für die Veröffentlichung des Fotos. Es sei weltweit gezeigt worden und die Eltern des Opfers seien von sich aus an die Öffentlichkeit getreten.

Minderjährige Privatperson

Außerdem habe der Presserat bereits die Veröffentlichung eines Fotos mit Verweis auf das öffentliche Interesse geduldet, das die Ermordung eines Menschen zeigt: Die Zeitschrift "Profil" zeigte damals am Cover, wie ein französischer Polizist im Zuge des Attentats auf "Charlie Hebdo" erschossen wird.

Der Presserat folgte dieser Argumentation nicht. Die Ermordung der jungen Frau bewege sich nicht in der gleichen Dimension wie der Anschlag in Paris. Außerdem habe es sich beim Opfer nicht um einen erwachsenen Polizisten, sondern um eine minderjährige Privatperson gehandelt. Der Presserat forderte "Heute" auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen – die Gratiszeitung ist nicht Mitglied des Selbstkontrollorgans.

"Heute"-Chefredakteur Nusser sagt auf Anfrage des STANDARD, dass die "sonderbare Entscheidung" in seiner Zeitung nicht veröffentlicht werde. (red, 21.12.2015)