Wien – "Die Ärzte nennen es Verfolgungswahn. Aber ich bin verfolgt, das ist kein Wahn", ist Wilfred C. überzeugt. Eine Überzeugung, die ihn vor das Geschworenengericht unter Vorsitz von Eva Brandstetter gebracht hat, das über seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher entscheiden muss. Schließlich hat der 33-Jährige zwei Frauen attackiert und eine lebensgefährlich verletzt.

Selbst Staatsanwalt Filip Trebuch unterstellt dem in Jogginghose und Schlapfen erschienen Mann quasi keine böse Absicht. Er leide laut psychiatrischem Gutachten an paranoider Schizophrenie.

Dass er am 21 Juni in Wien-Neubau eine 29-Jährige auf der Straße niedergestochen habe und eineinhalb Monate später eine Glasflasche auf dem Kopf einer anderen Frau zertrümmert habe, zeige, dass er gefährlich sei, erklärt er den Laienrichtern.

Von hinten attackiert

C.s erstes Opfer war auf dem nächtlichen Heimweg von einer Feier, als er die Passantin ohne Vorwarnung von hinten attackierte und ihr in den Rücken stach. Von anderen Fußgängern ließ er sich nur kurz ablenken, dann lief er der jungen Frau nach und stach weiter zu, ehe er flüchtete.

Dafür will er aber nicht verantwortlich sein, obwohl ihn Opfer und Zeugen eindeutig identifiziert haben. Dass er am 6. August in der Bibliothek des Allgemeinen Krankenhauses den nächsten Angriff begangen hat, gesteht er ein.

"Ich hatte vor, irgendeine Person mit einer Flasche zu schlagen", sagt er. Er traf eine Studentin, schlug mit einer Weinflasche so fest zu, dass die zerbrach und das Opfer ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat.

C.s Verteidiger Sebastian Lesigang hält die Taten für furchtbar, erinnert aber daran, "dass es auch für ihn schlimm ist. Er hat auch sehr klare Momente und weiß, dass er behandelt werden muss."

Medikamente abgesetzt

Die weniger klaren Momente sind es, die für seine Umwelt gefährlich sind. Dann ist der studierte Informatiker davon überzeugt, dass die Nato seit dem Jahr 2008 mit ihm Experimente durchführt. "Das Ziel ist es, über Magie zu lernen", erklärt er der Vorsitzenden ruhig. Er sei damals zwar behandelt worden, die Medikamente setzte er aber ab. "Es ging mir auch ohne gut."

Wie er verfolgt werde, will Brandstetter wissen. "Auf der Straße sind oft eine Art Schauspieler. Die bringen mir Botschaften. Sie flüstern mir etwas zu, oder durch ihre Körpersprache, oder sie haben Botschaften auf der Kleidung." Die Tat im AKH, die er gesteht, sei ein Protest gegen das Experiment gewesen.

"Sie sind ja jetzt in einer sichereren Umgebung. Werden Sie noch immer verfolgt?", erkundigt sich die Vorsitzende – was der Patient verneint. Die Geschworenen brauchen nicht sehr lange für ihre Entscheidung und lassen ihn rechtskräftig einweisen. (Michael Möseneder, 21.12.2015)