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Dieselpreise unter einem Euro pro Liter – bei vielen Tankstellen seit mehreren Wochen der Normalfall.

Foto: Marcel Kusch / dpa

Wien – Nach dem langanhaltenden Preisverfall liegen am Markt für Rohöl die Nerven blank. Bereits vergleichsweise unbedeutende Nachrichten, im konkreten Fall ein unerwarteter Anstieg der aktiven Ölbohrlöcher in den USA in der Vorwoche, lösen einen deutlichen Kursrückgang aus. Als Folge markierte der Preis für ein Barrel des Nordseeöls Brent mit knapp über 36 Dollar auf dem tiefsten Stand seit Sommer 2004. Somit steht seit Jahresbeginn ein Preisrückgang von mehr als einem Drittel zu Buche.

Prall gefüllte Öllager

Dabei stufen Experten die gestiegenen Förderaktivitäten in den USA, wo sich die Zahl der Bohrlöcher im Wochenvergleich um 17 auf 541 erhöhte, als Ausreißer ein. Der langfristige Trend spricht nämlich eine völlig andere Sprache, vor zwölf Monaten hatte Uncle Sam noch fast dreimal so viele Ölbohrungen in Betrieb. Dennoch sind angesichts sehr schleppender Nachfrage die Öllager in den USA prall gefüllt – und haben mit fast 500 Millionen Fass den für diese Jahreszeit höchsten Stand seit dem Jahr 1930 erreicht, wie die Rohstoffexperten der australischen ANZ-Bank hervorheben.

Hintergrund des Preisrutsches ist die Flutung des Markts mit Öl durch die Opec. Das Preiskartell sieht sich durch den jahrelangen Anstieg der US-Produktion durch Fracking, die ökologisch umstrittene Förderung von Schieferöl, in ihrer Vormachtstellung bedroht und versucht die mit höheren Produktionskosten belastete US-Konkurrenz durch anhaltend tiefe Preisniveaus aus dem Markt zu drängen. Erst am Wochenende hat der irakische Ölminister bekräftigt, dass die Opec an dieser Politik festhalten werde.

Spritpreise deutlich niedriger

Zu den Profiteuren dieser Entwicklung zählen die Verbraucher, speziell an der Zapfsäule. Dort war Sprit heuer laut ÖAMTC so billig wie seit 2009 nicht mehr. Verglichen mit dem Vorjahr kostete ein Liter Diesel im Jahresschnitt mit 1,11 Euro um rund 18 Cent weniger, ein Liter Super verbilligte sich um 15 Cent auf 1,20 Euro. Für einen Privat-Pkw bedeutet das im Jahresvergleich 100 bis 170 Euro Ersparnis, rechnet der Automobilklub vor.

Durchgeschlagen hat die Entwicklung auch auf die Strompreise. Die Kosten für eine Megawattstunde erreichten an der Strombörse EEX mit 27,85 Euro ein Rekordtief. Auch sonst hat der Kurssturz eine preisdämpfende Wirkung, da Rohöl zumindest indirekt in nahezu allen Produkten enthalten ist. Laut dem Mineralölwirtschaftsverband ersparen sich deutsche Verbraucher heuer in Summe rund 13,5 Milliarden Euro.

Die wenigsten Experten erwarten derzeit eine grundlegende Trendwende in den kommenden Monaten. Die Analysten von Goldman Sachs halten sogar einen weiteren Absturz des Ölpreises auf 20 Dollar im Jahr 2016 für möglich, allerdings bei der etwas günstigeren US-Ölsorte WTI. Ihren Prognosen wird aufgrund der hohen Treffsicherheit in der Vergangenheit viel Aufmerksamkeit eingeräumt. "Die Stimmung am Ölmarkt ist so schlecht, dass sie kaum noch schlechter werden kann", beschreibt Frank Schallenberger, Rohstoffexperte der Landesbank Baden-Württemberg, die Lage. (aha, 21.12.2015)