Lissabon/Bonn – Seit Milliarden von Jahren nutzen bestimmte Mikroorganismen nicht Sauerstoff zum Atmen, sondern Sulfat. Durch welchen biochemischen Vorgang diese zumeist im Meer vorkommenden Mikroorganismen durch Atmung Energie für ihr Wachstum gewinnen, war bislang jedoch nicht ausreichend geklärt. Nun hat ein internationales Forscherteam diese Wissenslücke geschlossen: Wie die Wissenschafter in "Science" berichten, konnten sie beim urtümlichen Archeon Archaeoglobus fulgidus diesen Prozess vollständig entschlüsseln.

Mit den Cyanobakterien und später den grünen Pflanzen kam der Sauerstoff auf die Erde – doch schon vorher erschlossen sich Mikroorganismen durch Atmung Energie. Statt Sauerstoff nutzten sie Sulfat, dass sie zu Schwefelwasserstoff reduzierten."Im Meerwasser ist Sulfat in etwa 100-fach höherer Konzentration gelöst als Sauerstoff", sagt Christiane Dahl von der Uni Bonn, die an der Studie beteiligt war.

Meeres- und Vulkanregionen

Überall wo Sulfat reichlich vorhanden und Sauerstoff knapp ist, kommen Bakterien und Archaeen vor, die auf diese "Sulfatatmung" spezialisiert sind: Neben den Meeren betrifft dies vor allem auch Vulkanregionen. Bisher ging man davon aus, dass es auf dem Weg vom Sulfat zum Schwefelwasserstoff nur drei Schritte gibt. Einer dieser Schritte ist die Reduktion von Sulfit, an dem das Enzym Sulfitreduktase (DsrAB) beteiligt ist.

Eine Voraussetzung für Energiegewinnung durch Atmung ist, dass Membranen in den lebenden Zellen wie eine Batterie aufgeladen werden. "Allerdings war bislang nicht klar, welcher Schritt der Sulfatatmung an eine bakterielle Zellmembran gekoppelt ist", so die Mikrobiologin. Diesen konnten die Forscher nun an Archaeoglobus fulgidus, das vor allem in Vulkangebieten vorkommt, nachvollziehen.

Universelles Prinzip?

Der aus dem Sulfit stammende Schwefel wird demnach gar nicht sofort von der Sulfitreduktase als Schwefelwasserstoff freigesetzt, sondern erst einmal von einem Protein zwischen zwei Schwefelatomen festgehalten. Ein weiteres Protein in der Zellmembran des Bakteriums setzt den Schwefel wieder frei. Dabei wird die Membran aufgeladen und Energie für das Wachstum der Mikroorganismen zur Verfügung gestellt. "Das ist der bislang unbekannte, aber umso wichtigere biochemische Schritt bei der Energiegewinnung durch Atmung", sagt Fabian Grein, ebenfalls von der Uni Bonn.

Er konnte im Reagenzglas nachweisen, dass dieser Prozesse auch in anderen sulfatatmendenden Mikroorganismen abläuft – wie etwa dem Bakterium Desulfovibrio vulgaris. "Dieses Bakterium ist von besonderer Bedeutung, da es auch im menschlichen Verdauungstrakt vorkommt und hier entzündliche Erkrankungen hervorrufen kann", so Grein.

Die Forscher gehen davon aus, ein universelles Prinzip entdeckt zu haben, das bei allen sulfatatmenden Bakterien vorkommt. "Je besser wir diese Milliarden Jahre alten Prozesse verstehen, umso besser können wir diese Spuren aus der frühen Erdgeschichte lesen", sagt Dahl. (red, 25.12.2015)