Wien/Astana – Mit einem erstinstanzlichen Erfolg für die Witwe von Rakhat Aliyev hat ein am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) anhängiger Rechtsstreit gegen eine PR-Agentur geendet, die vor Beginn der Hauptverhandlung im sogenannten Aliyev-Prozess Stimmungsmache gegen den unter den Verdacht des Doppelmords geratenen ehemaligen kasachischen Botschafter in Wien betrieben hatte.

Die auf Litigation spezialisierte Agentur HLC, die auf ihrer Homepage mit "maßgeschneiderten Lösungen in juristischen Auseinandersetzungen" wirbt, hatte kurz vor Beginn der Hauptverhandlung um zwei entführte und ermordete kasachische Banker eine Website online gestellt, die sich dem inkriminierten Geschehen widmete und dabei – so zumindest das nicht rechtskräftige Urteil von Richterin Ruth Schimik – krass die Unschuldsvermutung verletzte. Aliyev sei auf http://www.aliyevderprozess.at/ "unmissverständlich" als Täter der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen dargestellt und der Eindruck erweckt worden, er habe die Banker verschleppt, misshandelt und getötet. Zum Zeitpunkt, als die Site online ging, war Aliyev allerdings nicht mehr am Leben – er war Ende Februar tot in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefunden worden.

Während HLC bzw. deren Rechtsvertreter, die Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger + Partner, den angeblichen Selbstmord – offizielle Todesursache gibt es nach wie vor keine, Aliyevs Hinterbliebene schließen nach wie vor einen Suizid aus – als "Schuldeingeständnis" werteten und den Inhalt der Website als im überwiegend öffentlichen Interesse zulässig erachteten, schloss sich die Richterin dem Vorbringen des Rechtsvertreters der Witwe an. In seiner auf Unterlassung der aufgestellten Behauptungen und Urteilsveröffentlichung ausgerichteten Klage (Streitwert: 35.000 Euro) hatte Anwalt Peter Zöchbauer darauf hingewiesen, dass zum Publikationszeitpunkt kein rechtskräftiges Urteil gegen Aliyev vorlag, das die Darstellung gerechtfertigt hätte, die gegen diesen erhobenen Vorwürfe wären wahr.

Wie das Erstgericht betont, schützt die Unschuldsvermutung auch einen Toten bzw. dessen Hinterbliebene: "Selbst wenn ein dringender Tatverdacht gegen den Betroffenen besteht und sein Lebensbild in der Öffentlichkeit dadurch bereits erheblich beeinträchtigt ist, rechtfertigt dies nicht die Verletzung der Unschuldsvermutung durch Anprangern des Betroffenen Verstorbenen als überführten Straftäter." Die unterlegene PR-Agentur kann diese Entscheidung mittels Beschwerde bekämpfen. (APA, 21.12.2015)