Kleine Veränderungen, große Wirkung. Robert Forster betört im Theater Akzent sein Publikum. Er kann gar nicht anders.

Foto: Christian Fischer

Wien – Robert Forster wirkt entspannt. In ein paar Stunden gibt er das vorläufig letzte Konzert seiner Europatour im Wiener Theater Akzent. Das Haus ist seit Wochen ausverkauft, das Konzert ein Heimspiel in einer Stadt, die ihn und seine Kunst immer geliebt hat. Forster reist mit dem Zug, mit kleinem Gepäck, und wird den Abend weitgehend allein bestreiten. Bei manchen Liedern begleitet ihn seine Frau an der Geige und hilft beim Singen: Karin Bäumler bringt seine Songs zum Swingen.

Robert Forster befindet sich im Status einer Legende. Als der Begriff beim Gespräch im Kaffeehaus fällt, fällt auch ein Krümel von seinem Mundwinkel. Der 58-Jährige muss schmunzeln, aber es stimmt. Er ist einer der besten Songwriter seiner Generation. Diskussion zwecklos. Wie sein befreundeter Zeitgenosse Nick Cave ging er mit seiner Band Anfang der 1980er-Jahre von Australien nach England, um Karriere zu machen.

Musikalischer Weltkulturerbeverdacht

Seine Band hieß The Go-Betweens, und diese spielte sich über sechs Alben in die Herzen einer Generation. Zumindest vier davon stehen unter Weltkulturerbeverdacht.

1989 hörten Forster und der kongeniale zweite Songwriter der Band, Grant McLennan, auf. Zu Beginn der Nullerjahre entschlossen sich die beiden zu einer Reunion, drei Alben, Pardon, Meisterwerke, folgten. Dann starb McLennan. Am 6. Mai 2006 machte er ein Mittagsschläfchen und erwachte nicht wieder. Das war das Ende der Go-Betweens.

Vermisst er sie? "Ich muss immer vorsichtig sein, wenn ich über die Go-Betweens spreche. Ein paar Mal gestanden Grant und ich in Interviews, dass wir von unserem ersten Album nicht sehr begeistert wären. Das erzürnte manche Interviewer, sie wurden richtig wütend. Sehr seltsam. Ich meine, wir haben neun Alben veröffentlicht. Viele tolle Bands machten eines. Oder zwei. Ich vermisse nicht die Go-Betweens, aber ich vermisse Grant als Freund und Musiker. Ansonsten bin ich zufrieden, so wie es ist."

Ökonomie und Dramatik

Anlässe zur Zufriedenheit gibt es zurzeit mindestens zwei. Heuer ist das Boxset "G Stands for Go-Betweens" erschienen, das gerade in vielen Jahresbestenlisten auf den vordersten Plätzen aufscheint. Dasselbe gilt für Forsters im September erschienenes Album "Songs to Play", Sie ahnen es bereits, ein weiteres Meisterwerk, wie an dieser Stelle pflichtschuldig verkündet wurde.

Mit Liedern dieses Albums bestreitet er einen Gutteil des Konzerts. Mit strenger Miene und in konzentrierter Körperhaltung trägt er sie allein an der Gitarre vor. Ökonomie war bei den Songs der Go-Betweens immer ein Thema, aus ihr bezog die Band ihre Dynamik, konnte mithilfe kleiner Veränderungen große Wirkung erzeugen. Live unterstreicht das Bäumler mit der Geige. "A Poet Walks" ist dafür das schönste Beispiel. Gänsehaut. Zwar vermisst man ein wenig die große Instrumentierung der Albumversion, der dem Lied innewohnenden Dramatik tut seine Darbietung im schlanken Duo keinen Abbruch.

"Ich wollte schon lange allein eine Europatour bestreiten. Nach sieben Jahren Pause schien das eine gute Idee zu sein. Wir mussten die Tour vor dem Erscheinen des Albums buchen. Da wusste niemand, ob oder wie es angenommen werden würde. Eine Bandtour zu buchen wäre ein großes Risiko gewesen. Doch nun gibt es Gespräche, im Mai oder Juni mit Band wiederzukommen."

Von Würdigungen überhäuft

Nach McLennans Tod veröffentlichte Forster 2008 "The Evangelist". Eine Trauerarbeit, die das gemeinsame musikalische Erbe der beiden zu Ende führte.

Von der Ferne aus betrachtet, scheint es, als würde Forster seit damals von Ehren und Würdigungen überhäuft. In seiner Heimatstadt Brisbane wurde sogar eine Brücke nach den Go-Betweens benannt, Forster hält Vorlesungen, es erscheinen Dokus über Go-Betweens-Alben, diese scheinen regelmäßig in Listen der wichtigsten australischen Alben aller Zeiten auf, er wechselte die Seiten und wurde Kritiker und erhielt ein Ehrendoktorat für Literaturwissenschaft von der Universität von Queensland verliehen. Da schließt sich ein Kreis, denn dort hatte er McLennan in einer Dramavorlesung kennengelernt.

Das ganz normale Leben

Derlei Ansehensbekundungen deuten auf eine fast schon glamouröse Existenz hin, doch Forster winkt ab. "Man darf das nicht überbewerten. Ich bin kein reicher Star. Gut, ich hab' die Brücke und das Doktorat, über das ich mich sehr freue. Aber wenn man jahrelang zu Hause ist, vergisst man die eigene öffentliche Person. Der Alltag breitet sich aus, da wachsen zwei Teenager heran, und man verliert das größere Bild aus den Augen, nicht ganz, aber doch ein Stück weit."

Dass Forster sich rarmachte, lag an "G Stands for Go-Betweens", dem ersten Teil einer umfangreichen Werkschau. Bevor diese nicht erschienen war, konnte er kein Album veröffentlichen. Komponiert hat er dennoch. Und er schreibt seit fünf Jahren an einem Buch, "an einer Erinnerung", auch wenn ihm der Begriff "memoir" nicht wirklich behagt.

Die lange Pause scheint seiner Popularität in Europa nicht geschadet zu haben. Menschen fliegen über Kontinente, um ihn spielen zu sehen. Das freut ihn, das sei ein wirklicher Wert. Und er pflegt ihn seinerseits mit jedem Konzert, erweist sich der Treue als würdig. Im Theater Akzent streift er quer durch sein Repertoire, besucht frühe Soloarbeiten aus den 1990ern wie "I Can Do" oder "121". Er gestaltet den Abend mit Songs aus fast vier Jahrzehnten, die Konzentration der Darbietung löst sich schnell in der unterhaltsamen Lockerheit und im Schmäh seiner Kunst auf.

Wilder, Warhol, Kerouac

Schräger Humor war nicht selten die Würze dieser schlauen Band. Die Go-Betweens fanden zwar im Sturm des Punk zusammen, doch kreierten sie im Laufe der Jahre einen Folk-Pop, der persönliche Neigungen immer vor Etikettenpflege stellte. "Wir mochten die Sex Pistols und die Saints, aber Billy Wilder, The Lovin' Spoonful, Jack Kerouac, Warhol – die mussten wir auch unterbringen, die waren wichtiger."

Diese Eingemeindung gelang ohne Falten auf der Stirn, und ein Ende der Vermittlung dieser kleinen Welt ist nicht abzusehen. Im Gegenteil. "Wenn ich anhand meiner Lieder zurückblicke, sehe ich, wie sie mein Leben abbilden. Ich bin da wie ein Künstler, der noch in Öl malt, obwohl Video- und Computerkunst viel angesagter sind. Aber er kann sich in Öl immer noch mitteilen. Der Welt und sich selbst. Das bin ich. Und darin bin ich gut, daran fange ich immer noch Feuer." (Karl Fluch, 21.12.2015)