Stark bei der "Götterdämmerung": Marek Janowski.

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Wien – Zehn Tage vor dem Jahreswechsel, der den Wiener Symphonikern wie üblich dreimal die Neunte im Konzerthaus beschert (dieses Mal unter der Leitung von Pablo Heras-Casado), beschenkte das Konzertorchester der Stadt Wien sein Musikvereinspublikum mit einem Weihnachtskonzert. Womit unterhält man bei einem solchen? Erfrischenderweise mit rheinischer Frühlingsfröhlichkeit (Schumanns 3. Symphonie) und mit ein wenig Weltuntergangsgetöse (Auszüge aus Wagners Götterdämmerung).

Marek Janowski leitete den Kombipack, bei Schumanns symphonischem Letztling tat es der 77-Jährige auf eine etwas konventionelle Art. Mit moderatem, gefasstem Überschwang wurde begonnen: Angela-Merkel-Euphorie. Auch das Scherzo ("sehr mäßig") kennzeichnete eine gemütliche, vorsichtige Beschwingtheit; von sanfter, lichter Innigkeit der Mittelsatz. Beeindruckend das Blech im "feierlichen" vierten Satz, pointiert, aber brav der fünfte. Janowskis Führungsstil des großväterlich gutmütigen Laisser-faire hatte bei den Symphonikern eine brave, vorherhörbare Allerweltsinterpretation zur Folge.

Kurztrip mit dem Leitmotivpapst

Bei der Götterdämmerung war dann alles wie ausgewechselt. Die Symphoniker spielen als Konzertorchester ja nur dann und wann Oper: ab und zu im Theater an der Wien (Februar 2016 etwa Rossinis Otello und im April Strauss' Capriccio) und allsommerlich bei den Bregenzer Festspielen. Und so hatte man das Gefühl, dass sich die Musikerinnen und Musiker speziell auf den dreiteiligen Kurztrip in die süchtig machenden Klangwelten des Leitmotivpapsts ziemlich freuten – speziell wenn dieser unter einer so kundigen Führung passiert.

Der Wagner-Spezialist – Janowski wird 2016 den Ring des Nibelungen bei den Bayreuther Festspielen dirigieren – hievte die Unternehmung denn auch tatsächlich auf ein neues, exzellentes Niveau. Wundervoll die balsamische Ruhe und die mächtige Steigerung bei Siegfrieds Rheinfahrt, majestätische Explosionen der Dramatik ereigneten sich in Siegfrieds Tod und Trauermusik. Prachtvoll das Blech, beeindruckend das Holz. Nur die Erste Oboistin blies, etwas störend, öfter seitlich in die Klappen des Instruments statt oben ins Rohr.

Feuriges Finale

Das feurige Finale des Großwerks hatte Catherine Foster zu bestreiten. Was für ein Auftreten, was für ein Charisma! Stellt diese Frau an die Spitze einer Armee, und der Krieg ist gewonnen. Stark im Leid, stark auch durch das Leid sang sich die Wagner-Routinière in eine Rage der Selbstaufopferung, in der sie auch noch die mächtigsten Klangwogen des Orchesters übertönte.

Und die Wiener Symphoniker machten den Eindruck, dass sie sich mit Wagner selbst das größte Weihnachtsgeschenk gemacht hatten. Jubel. (Stefan Ender, 21.12.2015)