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In Istanbul schoss die Polizei am Wochenende mit Tränengaskartuschen auf Demonstranten. Sie protestierten hier wie in anderen Städten gegen die Militäroffensive im Südosten des Landes.

Foto: APA / EPA / Sedat Suna

Ankara/Bagdad – Sieben Tage die Woche und rund um die Uhr werden die Ärzte dieses Mal Dienst tun, hatte der türkische Gesundheitsminister zu Beginn der Militäroffensive angekündigt. Mehmet Müezzinoğlu wagte sogar eine Einschätzung des Kriegs in den kurdischen Städten: 80 Prozent der Militäroperationen gegen die Untergrundarmee PKK seien bereits erfolgreich gewesen.

Für Güler Yamalak, eine 32-jährige Mutter in der umkämpften Stadt Çizre, stellt sich das anders dar. Die schwangere Frau erlitt vergangenen Sonntag einen Bauchschuss. Die Nachbarn sagen, die türkischen Sicherheitskräfte hätten auf der Straße um sich gefeuert. Güler Yamalak liegt nun auf der Intensivstation. Ihr Baby hat sie verloren.

Krieg in den Klassenzimmern

Der Städtekrieg im Südosten der Türkei geht in seine zweite Woche, und mittlerweile räumte der Gesundheitsminister der konservativ-islamischen Regierung einen Personalmangel in den Krankenhäusern ein. Die PKK sei daran schuld, weil sie Ärzte und Krankenpfleger angreife. Die Guerillaarmee, die in der Türkei wie in der EU offiziell als Terrororganisation gelistet ist, sei auch verantwortlich für die Flucht der Zivilbevölkerung im Südosten, erklärte Premier Ahmet Davutoğlu.

Doch das ist dann auch nur die halbe Wahrheit. Auf Bildern aus Sur etwa, dem Innenstadtbezirk von Diyarbakir, die von der türkischen Armee selbst veröffentlicht worden sind, sieht man Soldaten, verschanzt hinter Sandsäcken am Fenster eines Klassenzimmers, das Gewehr im Anschlag; oder ganze Gassen mit zu Ruinen geschossenen Häusern.

Ausgangssperren ausgeweitet

87 tote "Terroristen" und 649 Hausdurchsuchungen meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montagmittag aus Çizre und Silopi, den zwei mehrheitlich kurdischen Städten, auf die sich die Kämpfe gegen mutmaßliche Mitglieder der PKK konzentrierten. In einer dritten Stadt, in Nusaybin, direkt an der Grenze zu Syrien, weiteten die Behörden die Ausgangssperren auf weitere Stadtbezirke aus. Anwohner versorgten sich noch rasch am frühen Morgen mit Proviant.

Der Kampf gegen die PKK werde so lange dauern, wie er eben brauche, sagen Regierungs- und Staatschef täglich den Türken. Die Wahlen im vergangenen November haben sie damit mit großer Mehrheit gewonnen. Eine Umkehr erwarten politische Beobachter deshalb auf absehbare Zeit nicht. Während Abdullah Öcalan, der inhaftierte PKK-Gründer, schweigt, hat seine Untergrundarmee ihr Angebot zur Waffenruhe vom vergangenen November angesichts der Offensive gegen die Kurdenstädte nicht mehr wiederholt. Noch im März hatten Staat und PKK über eine Lösung der Kurdenfrage verhandelt.

Rasche Wende zu Israel

Während der Krieg in den Städten, wo sich die PKK verschanzt, weitergeht, musste Ankara im Irak eine schwere Niederlage einstecken. Ein "diplomatisches Fiasko" nannte die Oppositionszeitung "Cumhuriyet" den von den USA erzwungenen Abzug des türkischen Kontingents bei Mosul.

Erwartungen auf eine rasche Normalisierung mit Israel zum Ausgleich dämpfte der Sprecher der Regierungspartei. Nichts sei bisher unterzeichnet, sagte Ömer Çelik. (Markus Bernath, 21.12.2015)