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Die Unfallstelle in Texas.

Foto: AP Photo / The Fort Worth Star-Telegram, Ben Noey Jr

Fort Worth (Texas) – Ein Teenager kommt aus reichem Haus, gilt als maßlos verwöhnt. Betrunken fährt er vier Menschen tot. Seine Verteidiger machen seine Erziehung dafür verantwortlich – mit Erfolg. Jetzt, zwei Jahre später, gerät der junge Amerikaner wieder in die Schlagzeilen. Der 18-Jährige ist verschwunden, nach ihm wird gefahndet.

Der US-Teenager Ethan C. saß betrunken hinter dem Steuer und tötete vier Menschen. Der junge Texaner kam mit einer Bewährungsstrafe davon: Die Verteidigung argumentiert im Prozess, C. sei "wohlstandskrank" – ein verwöhntes Kind reicher Eltern, die ihm nie Grenzen aufgezeigt hätten. Diese Begründung löste in den USA Unverständnis und Hohn aus, das lasche Urteil einen Sturm der Empörung. Das war vor zwei Jahren. Jetzt ist der Teenager wieder in den Schlagzeilen. Die Justizbehörde US Marshals Service und die texanische Polizei fahnden nach dem heute 18-Jährigen, der seit mehreren Wochen verschwunden ist.

Bis zu zehn Jahre Haft drohen

Die Polizei vermutet, dass C. mit seiner Mutter geflohen ist, möglicherweise ins Ausland. Zuvor war ein Video aufgetaucht, das ihn auf einer Bierparty zu zeigen scheint. Würde es sich herausstellen, dass er Alkohol konsumiert hat, wäre das ein Verstoß gegen die Bewährungsauflagen und könnte ihm bis zu zehn Jahre Gefängnis einbringen. Die Flucht hat den Zorn über die damalige Entscheidung der Richterin wieder aufflammen lassen. "Es ist einer der Fälle, in denen man es hasst, sagen zu müssen, 'ich habe es euch ja gesagt', aber ich habe es euch gesagt", zitierte die "Dallas Morning News" den Sheriff von Tarrant County, Dee Anderson. "Ich wusste, dass er in weitere Schwierigkeiten gerät."

Es war am Abend des 15. Juni 2013. Der Anklage zufolge stahlen C. und mehrere Freunde Bier aus einem Geschäft, tranken und fuhren dann mit einem Kleinlaster los. Zur selben Zeit hatte eine Frau an einem Straßenrand eine Panne, sie rief eine Freundin an, die mit ihrer Tochter zur Hilfe kam, wie der Sender CNN schilderte. Auch ein Jugendpfarrer, der an dem gestrandeten Fahrzeug vorbeikam, hielt an.

C. raste mit dem Truck in die Gruppe, alle vier starben. Zwei von sieben Freunden, die auf der Ladefläche des Truck saßen, wurden in die Luft geschleudert und schwer verletzt. Eine Blutprobe ergab später bei C. einen Promillegehalt von 2,4 – das Dreifache der erlaubten Grenze.

Meistgehasster Straftäter

Im Prozess vor einer Jugendrichterin machten die Verteidiger geltend, dass C.s reiche Eltern einen Großteil der Schuld trügen. Sie boten sogar einen Psychiater als Zeugen auf, der sagte, der Teenager leide an "Affluenza": Er sei maßlos von den Eltern verwöhnt worden, habe alles tun können, was er gewollt habe – und sei daher nicht fähig gewesen, die Konsequenzen seines Handelns zu erkennen. "Affluenza", ein Zusammenschnitt aus den Worten affluent (wohlhabend) und influenza (Grippe), wird von der Ärztevereinigung American Psychiatric Association nicht als Diagnose anerkannt.

C. wurde wegen vierfachen Totschlags und zweifacher schwerer Körperverletzung mit einem Fahrzeug schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft forderte 20 Jahre Haft, aber Jugendrichterin Jean Boyd in Fort Worth ließ den Teenager mit der zehnjährigen Bewährungsstrafe davonkommen und ordnete eine Behandlung in einem Rehabilitationszentrum an.

Das Thema erhitzte tagelang die Gemüter, ging rauf und runter in den sozialen Medien. Das fast einhellige Urteil: C. sei nichts anderes als ein verwöhntes Balg und müsse zur Rechenschaft gezogen werden wie jeder andere, der nicht reich sei. In manchen Medien war von einem der meistgehassten Straftäter des Jahres die Rede.

Weil die Familie so wohlhabend ist, befürchtet die Polizei, dass es schwer sein wird, C. aufzuspüren. Kevin McConnell, dessen zwölfjähriger Sohn bei dem Unfall verletzt wurde, ist nach eigenen Worten nicht überrascht von der Entwicklung. Damals, im Prozess, hatte er an C. gewandt gesagt: "Ich glaube zwar, dass wir uns bemühen sollten, zu vergeben. Aber ich glaube, dass du diese Situation nur ernst nimmst, wenn ernst mit ihr umgegangen wird." (APA, 22.12.2015)