Acht weitere Bundesheereinrichtungen könnten für die Unterbringung von Asylwerbern genutzt werden.

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Wien – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nutzt ihr Durchgriffsrecht zur Schaffung von Asylquartieren in sechs Bundesländern. An acht Bundesheerstandorten in der Steiermark, dem Burgenland, Kärnten, Tirol, Nieder- und Oberösterreich sollen teils bis zu 450 Asylwerber Obdach finden – insgesamt also bis zu 3.600 Personen. Die Verordnung wurde vorerst auf ein halbes Jahr befristet.

Die ursprünglich geplante Liste mit sechs Standorten wurde nach APA-Informationen am Dienstag noch um zwei ergänzt: die Wallenstein-Kaserne in Götzendorf in Niederösterreich und die Wintersteller-Kaserne in St. Johann in Tirol.

Außerdem geht es um die Kirchnerkaserne in Graz, bestätigte das Innenministerium am Dienstag. Sie wurde bereits zum Verkauf ausgeschrieben, die Anbotsfrist (Mindestpreis 9,5 Millionen Euro) läuft bis 11. März. Nun sollen bis zu 400 Asylwerber auf dem Gelände unterkommen. "Mit dem Verteidigungsministerium wurde vereinbart, dass wir es für das halbe Jahr haben können", sagte ein Ministeriumssprecher.

Zwei Kasernen in Kärnten betroffen

Ebenfalls genutzt wird das Durchgriffsrecht zur Schaffung von Asylquartieren in Villach (Henselkaserne) und Spittal an der Drau (Türk-Kaserne) in Kärnten. Dort kritisierte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) die Art der Anwendung des Durchgriffsrecht. "Sieben von 14 Durchgriffen sind in Kärnten angewendet worden", sagte er am Dienstag nach Bekanntwerden von Mikl-Leitners Entscheidung.

Verordnet ist inzwischen laut einem Bericht des ORF Kärnten auch ein Erstaufnahmezentrum in der Gemeinde Schiefling am Wörthersee. Hier hatte Kaiser darauf hingewiesen, dass das ehemalige Gasthaus, in dem 150 Menschen untergebracht werden sollen, nur gut 300 Meter von einem Flüchtlingsheim des Landes entfernt sei. Formal stehen die beiden Häuser in zwei verschiedenen Gemeinden, de facto aber in der gleichen Ortschaft, nämlich in St. Egyden, das zwischen Schiefling und Velden aufgeteilt ist. Der Protest des Landes nützte nichts, die Verordnung wurde noch am Montag erlassen.

Kritik auch aus Tirol und der Steiermark

Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter kann der ministeriellen Ankündigung nur wenig abgewinnen können. Sie sei "nicht förderlich", meinte Platter auf Anfrage der APA. Eine Unterbringung könne nur im Einklang mit den Gemeinden erfolgen.

"Gerade mit der Gemeinde St. Johann haben wir letzte Woche einen ganz konkreten Stufenplan zur Unterbringung von 140 Flüchtlingen ausgearbeitet", erklärte Platter am Dienstag. Nun über die Gemeinde "drüberzufahren", gefährde den erzielten Konsens. Wenn der Bund gegen den Willen der Bevölkerung und der Gemeinden zwangsweise Unterkünfte durchsetzt, könne er das "nicht gutheißen", so Platter.

In Graz wehrt sich die ÖVP gegen die Pläne. Nach Bürgermeister Siegfried Nagl übte am Dienstag auch sein Parteifreund, Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner, Kritik am "Vorgehen der Bundesregierung", Flüchtlinge in die eigentlich zum Verkauf stehende Kirchner-Kaserne einzuquartieren. Nagl hatte zuvor in der "Kleinen Zeitung" u.a. gesagt, dass man sich um kleinere Unterbringungseinheiten bemühe, was nun konterkariert werde.

Die von Hohensinner in einer Aussendung geäußerte Kritik richtete sich allerdings in erster Linie gegen rote Regierungsmitglieder wie Heeresminister Gerald Klug (SPÖ) und nicht gegen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). "Ein völlig überforderter Verteidigungsminister verkündet wöchentlich andere Entscheidungen".

Inbetriebnahme nur, wenn Länder Quote nicht erfüllen

Neben Kärnten, Steiermark und Tirol sollen Flüchtlinge in Niederösterreich am Fliegerhorst Brumowski in Tulln unterkommen, in Oberösterreich in der Hessen-Kaserne in Wels. Auch das burgenländische Bruckneudorf kommt wieder ins Gespräch – allerdings nach Bürgerprotesten nicht der Truppenübungsplatz, sondern die Benedek-Kaserne.

Das Innenministerium erklärte, dass die Quartiere nur geöffnet werden, wenn die Länder ihre Betreuungsquote von sich aus nicht erfüllen. "Die Länder haben es immer noch selbst in der Hand, dass es nicht zur Inbetriebnahme der Kasernen kommt", sagte der Sprecher. Dem Ministerium sei jedenfalls wichtig, für die Wintermonate Quartiere verfügbar zu haben.

Untergebracht werden sollen die Flüchtlinge in Containern, nur in Villach sind Zelte geplant. Die maximale Anzahl von 450 Flüchtlingen wird laut Ministerium nicht an allen Standorten möglich sein.

Welser FP-Bürgermeister kündigt Straßenblockaden an

"Wenn es in den nächsten Wochen nach wie vor zu wenige Quartiere gibt, sind wir gezwungen, vom Durchgriffsrecht Gebrauch zu machen", sagte Mikl-Leitner am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal". Für 2016 rechnet sie mit bis zu 120.000 Flüchtlingen.

Der Welser FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl hatte zuvor Widerstand gegen das geplante Flüchtlingsquartier in der Hessenkaserne angekündigt. "Wenn diese Unterbringung kommt, werden wir massive Protestmaßnahmen ergreifen", kündigte Rabl an. Er sprach unter anderem von Straßenblockaden. (APA, 22.12.2015)