Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nutzte die Studie für politische Zwecke. Im Bild Islamwissenschafter Ednan Aslan und die SPÖ-Stadträtinnen Sonja Wehsely (Jugend) und Sandra Frauenberger (Integration und Bildung).

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Die Debatte rund um die Evaluierung islamischer Kinderbetreuungseinrichtungen zieht sich seit mehr als einer Woche und verläuft polarisierend und teils hetzend. Der Projektbericht von Ednan Aslan, Professor am Institut für Islamische Studien der Universität Wien, qualifiziert sich selbst als Vorstudie, entspricht aber nicht den Standards aktueller sozialwissenschaftlicher Arbeit. Der Bericht ist vielmehr eine Melange aus zusammengetragenen Meinungen, subjektiver Recherche, Beobachtungen und von Erfahrungswerten. Hinweise auf eine systematische und nachvollziehbare Bearbeitung des Themas finden sich darin nicht.

Weder werden Quellen ausreichend transparent gemacht, noch gibt es eine Dokumentation zu den empirischen Schritten und Auswertungen. Der Projektbericht weist formale Mängel auf. Ein Literaturverzeichnis fehlt, der Anhang ist unzureichend, der Bericht beinhaltet keine Leitfäden zu den Interviews, es gibt kein Verzeichnis der durchgeführten Interviews und keine Transkripte. Elemente aus den Auswertungsarbeiten, wie zum Beispiel ein Kategorienschema, eine Typologie oder ähnliches fehlen.

Intransparentes Untersuchungsdesign

Das Untersuchungsdesign bleibt intransparent: Die Forschungsfragen sind indifferent und breit angelegt. Die gewählte Methodik der Experteninterviews kann die gestellten Forschungsfragen nur bedingt beantworten, etwas, das aber aufgrund von fehlenden Leitfäden und Transkripten beziehungsweise Zitaten aus den Transkripten nur ansatzweise beurteilt werden kann. Die Auswahl der Fälle ist nicht nachvollziehbar, der Samplingprozess damit nicht rekonstruierbar und Rückschlüsse auf das Feld nicht möglich. Der Forschungsprozess und die konkreten Vorgangsweisen werden nicht beschrieben.

Mängel in der Auswertung

Größte Mängel weist die Art und Weise der Auswertung auf. Beschrieben wird eine "an die Auswertungsmethode der Grounded Theory" angelehnte Vorgangsweise. Die vorgelegten Ergebnisse haben allerdings mit einer in Daten begründeten Theorie – das meint Grounded Theory – nichts zu tun. Die Grounded Theory scheint rein als Label verwendet worden zu sein.

Die Ergebnisse im Projektbericht sind Aufzählungen in Form von unterschiedlich umfangreichen Formulierungen, zugeteilt zu Kategorien. Woher diese Kategorien stammen, ob aus den Leitfäden, den Analysen oder aus anderen Quellen, ist nicht ersichtlich. Eine Interpretation der Aufzählungen gibt es in dem Bericht nicht. Zitate aus den Interviews, um die angeführten Punkte zu untermauern, sind im Text nicht enthalten. Im Berichtsende werden Vorschläge zur Qualitätssteigerung präsentiert. Wie diese mit den durchgeführten Forschungsschritten zusammenhängen, ist aus dem Bericht heraus nicht ersichtlich.

Der Sinn der Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens liegt darin, die Weiterarbeit mit den gefundenen Erkenntnissen und Inhalten zu ermöglichen. Diese gelten für jede Form der wissenschaftlichen Arbeit von Proseminar-, Bakkalaureats- und Diplomarbeiten, über Dissertationen und Habilitation bis zu Publikationen im Rahmen von Forschungsprojekten. Dies gilt auch für Vorstudien und ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Politische Instrumentalisierung

Die Indifferenz des Projektberichts eröffnet die Möglichkeiten zur willkürlichen Interpretation der Ergebnisse. In den vergangenen Tagen war genau dies in den öffentlichen Debatten zu beobachten: Einzelne Aspekte wurden herausgenommen und im politischen Diskurs instrumentalisiert. Genau deshalb, um solchen Effekten entgegenzuwirken, existieren (sozial)wissenschaftliche Standards, und es ist unabdingbar, diese einzuhalten.

Forschung soll (und muss) immer einen sachlichen Beitrag zu sozialen Phänomenen und ihrer Analyse leisten und in ihrem Rahmen versuchen, einer Instrumentalisierung zumindest vorzubeugen. Kurz gefasst: Der Projektbericht zur "Evaluierung islamischer Kindergärten/-gruppen in Wien" ist ein gutes Beispiel für ein schlechtes Beispiel und verdient das Etikett einer wissenschaftlichen Arbeit nicht. (Andrea Schaffar, 22.12.2015)