Pünktlich zur Ankündigung meiner Lebensgefährtin, dass wir im Sommer unser viertes Kind erwarten dürfen, erreicht mich dieser Tage noch eine andere großartige Nachricht: Ich bin als Vater wahrscheinlich die bessere Mutter. Hurra aber auch! Vermutet zumindest der "Spiegel". Wobei ich das längst hätte wissen können. Immerhin hat dasselbe Magazin schon 1980 exakt genauso getitelt.

Was läuft eigentlich schief, wenn seit mittlerweile über 30 Jahren diese rhetorische Frage in den Raum gestellt wird, um Elternschaft statt über Verantwortung, Fürsorge und Liebe über Geschlecht zu definieren? Warum werden Frauen und Männer in dieser Gesellschaft permanent auf Kosten ihrer Kinder gegeneinander ausgespielt, und wieso muss ständig jemand die Arschkarte haben? Aber der Reihe nach. Der "Spiegel" findet also (schon wieder oder immer noch), dass Väter in ihrer Elternschaft zu wenig ernst genommen und gewürdigt werden. Sie wollen und würden viel mehr Erziehungsarbeit übernehmen, wenn die Mütter sie nur machen ließen.

Der Begriff, der dieses Phänomen beschreibt, lautet "Maternal Gatekeeping". Mütter also als Türsteherinnen am Eingang zur Welt des Kindes, die den Vätern nur unzureichend und ohne nachvollziehbare Gründe Eintritt gewähren oder sogar nur dann, wenn sie sich davon einen persönlichen Vorteil versprechen. Dieses vorgebliche oder tatsächliche Pochen auf mütterliche Privilegien geistert sein einigen Jahren durch die Feuilletons und Blogwelten. Aktuell wurde die Debatte durch ein Interview mit der Autorin Jeannette Hagen in der "Süddeutschen Zeitung" neu angestoßen, in dem sie davon berichtet, wie sehr sie unter #Vaterentbehrung gelitten hat und wie wichtig es ist, Frauen zur Beendigung des Maternal Gatekeeping vom #Mütterthron zu stoßen.

Bitte lässig zurücklehnen?

Einerseits muss man das so stehen lassen. Die Autorin hat ein Recht auf ihr Gefühl der Vaterentbehrung und verfügt über die Deutungshoheit über ihre Biografie. Es steht anderen nicht zu, ihr Gefühl zu negieren oder in völliger Unkenntnis einfach zu behaupten, das sei alles nicht so gewesen. Andererseits gehören viele Punkte in diesem Interview gehörig durchgerüttelt. Zum Beispiel, wenn Hagen nonchalant behauptet, Frauen sollten sich einfach einmal lässig zurücklehnen und den Mann auch teilhaben lassen.

Ach, so ist das?! Ich sehe sie schon vor mir, die ganzen Mütter, die die armen Väter ständig davon abhalten, Windeln zu wechseln, Arztbesuche zu koordinieren und am gleichen Tag bei zwei Elternabenden aufzuschlagen. Väter, denen verboten wird, sich mit dem Kind in einer Woche neun weiterführende Schulen anzuschauen, die Wäsche zu waschen und Feiertage zu planen. Das liegt nämlich auch alles jenseits des Eingangs zur Welt des Kindes. Die besteht nicht nur aus Vorlesen, Wochenendaktivitäten und zärtlichen Gesprächen. Die besteht auch aus keinen Abend haben, weil das Kind bis 23 Uhr wegen Angst vor dem morgigen Tag ständig auf die Toilette muss. Aus "Wie soll ich bloß das Geld für die Klassenfahrt auftreiben?". Aus stundenlanger Hausaufgabenhilfe, vollgekotzten Klamotten, Tränen in der Notaufnahme und vielen, vielen Tagen, an denen man jede Sekunde hofft, es möge endlich Abend werden.

Mit Sicherheit gibt es Mütter, die Vätern all das vorenthalten und sie zu Unrecht nicht am Leben ihres Kindes teilhaben lassen. Aber in den meisten Fällen ist das Gegenteil der Fall. In den meisten Fällen müssen sich Mütter auch noch Vorwürfe dafür anhören, dass sie den Vätern keine Rosinenpickerei in der Erziehungsarbeit zugestehen wollen oder können. Tatsächlich fühlt sich der angebliche Mütterthron oft wie ein Gefängnis an. Deshalb auch die Debatte um #regrettingmotherhood.

Privileg? Oder Verpflichtungen und Zumutungen?

Die vielbeschworenen mütterlichen Privilegien bestehen in Wahrheit sehr oft aus Verpflichtungen und Zumutungen, die Frauen qua Geschlecht zu übernehmen haben. Schließlich sind Mutterliebe und Vaterliebe ganz verschiedene Dinge. Mütter müssen fürsorglich und opferbereit lieben. Väter lieben einfach.

Frauen müssen mehr leisten. Männer können gar nicht so viel leisten. Das ist die sexistische Prämisse, unter der Erziehungsarbeit eingeordnet wird. Vor diesem Hintergrund ist die Frage danach, ob Väter die besseren Mütter sind, ausgesprochen uninteressant und scheinheilig. Die viel wichtigere Frage ist, ob wir ohne diese zwangsverpflichtenden Zuschreibungen unseren Kindern bessere Eltern sein könnten. Ob es möglich wäre, mehr Teilhabe und weniger Ausschlüsse zu produzieren. Ob es uns nach einer Trennung als Paar besser gelingen würde, in gemeinschaftlicher elterlicher Verantwortung verbunden zu bleiben. Die Mär vom Mütterthron vermag diese Frage jedenfalls nicht zu beantworten. (Nils Pickert, 23.12.2015)