Zagreb – Chaos bei der Regierungsbildung in Kroatien: Kurz vor der erwarteten Einigung hat die Neo-Partei Most (Brücke) am Dienstag überraschend die Koalitionsverhandlungen mit den bisher regierenden Sozialdemokraten (SDP) abgebrochen. Most-Chef Božo Petrov beschuldigte die SDP, hinter seinem Rücken Abgeordnete als Unterstützer für SDP-Chef Zoran Milanović als Regierungschef angeworben zu haben.
Sechs Wochen nach der Parlamentswahl ist damit erneut keine Regierungsmehrheit in Sicht. Mit Spannung wird nun erwartet, was Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović macht. Sie muss entscheiden, ob sie den zerstrittenen Parteien weiter Zeit für Verhandlungen gibt oder Neuwahlen ausschreibt. Grabar-Kitarović sollte sich noch am Nachmittag äußern. Der scheidende Premier Milanović forderte die Präsidentin am Dienstag laut Medienberichten auf, angesichts der Situation Neuwahlen auszuschreiben. Die Anschuldigungen von Most wies er als haltlos zurück.
Einigung greifbar nahe
Zu Beginn der Konsultationsgespräche Dienstagfrüh schien eine Einigung zwischen den Sozialdemokraten und Most noch greifbar nahe. Wenige Stunden später verkündete Most-Chef Petrov, der als Regierungschef gehandelt wurde, überraschend den Abbruch der Gespräche. "Die Verhandlungen mit der Koalition 'Kroatien wächst" (von SDP angeführtes Wahlbündnis, Anm.) sind beendet", erklärte Petrov laut Medienberichten.
Er beschuldigte die SDP-Führung, während der laufenden Koalitionsgesprächen einzelne Most-Abgeordnete für eine Unterstützung Milanovićs angeworben zu haben für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern.
Most habe bisher bereits viel erduldet, sagte Petrov. "Jetzt reicht es. Wir werden mit ihnen nicht mehr zusammenarbeiten." In einer Mitteilung warf Most der SDP-Führung vor, mit gekreuzten Fingern verhandelt zu haben, um eine Reformregierung zu stürzen.
"Geschichte hat keine Logik"
Milanović wies die Anschuldigungen zurück. "Diese Geschichte hat keine Logik", sagte er laut Medienberichten bei einer Pressekonferenz. "Wir haben die Gespräche mit Most gestern Abend beendet und praktisch alles finalisiert." Auch die Ressortverteilung sei bereits vereinbart worden.
Der SDP-Chef wittert hinter dem Rückzug von Most die nationalkonservative HDZ, die am Wochenende aus den Verhandlungen ausgeschieden war. HDZ-Chef Tomislav Karamarko zeigte sich am Dienstag nach den Konsultationen bei der Präsidentin weiterhin offen für eine Koalition mit Most. (APA, 22.12.2015)