Das war das Jahr der Flüchtlinge – und der Überrumpelung der Europäer durch den plötzlichen Zustrom.
Nächstes Jahr machen wir es besser? Nur dann, wenn wir – die Bevölkerung und unsere Regierungen – ein paar fundamentale Fakten akzeptieren. Und, darauf aufbauend, nach halbwegs vernünftigen Lösungen suchen.
1) Die Flüchtlingskrise wird nicht weggehen. In unserer Nachbarschaft, dem Vorderen Orient und Nordafrika, toben fundamentale Konflikte. Das sind – oder waren bis vor kurzem – Urlaubsdestinationen für pauschalreisende Europäer. In der Türkei ein Beinahebürgerkrieg zwischen der Regierung und den Kurden. Die arabischen Staaten im Zustand oder in Gefahr des Zerfalls. Es handelt sich um einen Religionskrieg zwischen radikalen und gemäßigten Muslimen, mit den anderen als kollateralem Schaden. Was wird zum Beispiel aus den fünf Millionen koptischen Christen, wenn Ägypten fällt?
2) Das ist nebenan und geht uns etwas an. Nicht in dem Sinn, dass wir – "der Westen" – an allem Unheil schuld wären, wie die herrschenden "antiimperialistischen" Verschwörungstheorien von ganz links bis ganz rechts behaupten. Aber wir sind einfach da, mitsamt unserem Reichtum, unseren freien Gesellschaften, von denen sich Menschen in kriegsgeschüttelten oder einfach nur rückständigen und schlecht regierten eine Lebenschance erwarten.
3) Europa würde unter der Last zusammenbrechen, wenn alle kämen. Nicht, dass wir nicht ein paar Millionen unterbringen oder vielleicht sogar sinnvoll in den Arbeitsmarkt eingliedern könnten. Aber wenn zu viele zu schnell aus fremden, gesellschaftlich ganz anders strukturierten Kulturen kommen, wird es in Europa einen Aufstand der autochthonen Bevölkerung geben.
Das konnte man bereits im Jahr 2015 mit hunderttausenden Flüchtlingen aus muslimischen Ländern erkennen. In Dresden gibt es kaum Muslime, aber eine fremdenfeindliche und rechtsextrem grundierte Bewegung wie Pegida bringt zehntausende gegen die "Islamisierung des Abendlandes" auf die Straße.
Nicht nur droht die Gefahr eines gewaltigen Rechtrucks. Die Wahrheit ist, dass dort, wo es relativ viele Muslime gibt, die Integration noch nicht einmal richtig angefangen hat.
4) Abwehrmaßnahmen wie Zäune, "schärfere Kontrollen" (auch auf dem Meer), Abkommen mit der Türkei, vielleicht mit Libyen und anderen (nord-)afrikanischen Staaten und massive Rückschiebungen von Afghanen, Iranern, Nigerianern etc. können das Problem eingrenzen, aber nicht völlig lösen.
5) Es gibt kein Patentrezept. Wir werden viele aufnehmen und wahrscheinlich noch mehr abwehren oder zurückschicken.
Europa – und wegen der geografischen Lage am Ende der "Balkanroute" auch Österreich – sind mit einem Vorgang historischer Größenordnung konfrontiert. Noch (?) nicht ganz so monumental in der Auswirkungen wie der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa, aber jedenfalls auch ein Zusammenbruch einer alten, schlechten Ordnung. (Hans Rauscher, 22.12.2015)