Das Durchgriffsrecht des Bundes gegenüber den Ländern, um mehr Wohnraum für Asylwerber zu schaffen, wurde im Oktober unter großen Schmerzen geboren. Sogar die Verfassung musste dafür geändert werden. Umso enttäuschender und dem Anspruch auf Problemlösung völlig widersprechend war, dass Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die neue Kompetenz bisher nur sehr zurückhaltend einsetzte – als ob sich die Flüchtlingsquartiersuche allein durch die Existenz der neuen Regelung beschleunigen würde.
Das geschah nicht. Vielmehr ließen störrische Länder- und Gemeindeverantwortliche ihr schädliches "Mit uns nicht"-Mantra weiter erklingen – ein zusätzlicher Hinweis, wie verbogen und reformbedürftig die föderalistischen Strukturen der Republik inzwischen sind.
Daher ist Mikl-Leitner, sollte sie das Durchgriffsrecht nach ihren Ankündigungen künftig wirklich konsequent anwenden, zu gratulieren. Weil die Prognose, es werde 2016 120.000 neue Asylanträge geben, durchaus realistisch erscheint: Angesichts des humanitären Debakels im Nahen Osten, der Uneinigkeit der EU und des fortgesetzten Geldmangels bei UN-Hilfsorganisationen sind "Stopptasten"- und Flüchtlingsobergrenzen-Pläne absolut unwirksam.
Stattdessen könnte es 2016 sehr darauf ankommen, rasch und professionell viele neue Asylquartiere zu schaffen, im Interesse der Flüchtlinge und des inneren Friedens. (Irene Brickner, 22.12.2015)