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Im polnischen Unterhaus wurde am Dienstag eine Neuordnung des Verfassungsgerichts verabschiedet, nun hat der Senat 30 Tage Zeit, sich mit der Vorlage zu befassen.

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Ministerpräsidentin Beata Szydlo und Ex-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski von der PiS nach der Abstimmung.

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Warschau – Das polnische Unterhaus hat mit der Mehrheit der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine umstrittene Neuordnung des Verfassungsgerichts verabschiedet. Nach einer stürmischen Debatte stimmten am Dienstag 235 Abgeordnete für das Gesetz und 181 dagegen, berichtete die Agentur PAP.

Die zweite Parlamentskammer, der Senat, hat nun 30 Tage Zeit, sich mit der Vorlage zu befassen. Sie sieht vor, dass das Verfassungsgericht Entscheidungen nur mehr mit Zweidrittel- statt mit einfacher Mehrheit fällen kann, 13 von 15 Richtern müssten beteiligt sein. Das Gericht würde damit praktisch handlungsunfähig, befürchten Kritiker. Zudem entfällt der bisherige Paragraf über die Unabhängigkeit des Gerichts.

Opposition spricht von "schleichendem Staatsstreich"

Die Opposition hält das Gesetz für verfassungswidrig und einen Versuch, das Gericht in seiner Arbeitsfähigkeit zu beschneiden und zu "zerstören". Ex-Minister Andrzej Halicki von der liberalen Bürgerplattform (PO) sagte: "Heute ist mit bloßem Auge zu erkennen, dass wir es mit einem schleichenden Staatsstreich zu tun haben."

Anne Brasseur, die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, hatte Polen noch vor übereilten Schritten gewarnt, die "weitreichende Einschränkungen der Justizgewalt" zur Folge hätten. Zuvor hatte sich bereits Präsident Andrzej Duda geweigert, mehrere Verfassungsrichter zu vereidigen, die noch vom früheren liberalkonservativ dominierten Parlament gewählt worden waren. Er ernannte stattdessen fünf andere Richter, die als Gefolgsleute der PiS gelten.

Nationale und internationale Kritik

An den vergangenen zwei Wochenenden waren Zehntausende Polen auf die Straße gegangen, um gegen den Rechtsruck unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo zu demonstrieren. Die PiS von Ex-Regierungschef Jarosław Kaczyński verfügt seit der Wahl im Oktober über die absolute Mehrheit in beiden Kammern.

Der ehemalige Präsident Lech Walesa hat die neue Regierung als eine Gefahr für die Demokratie kritisiert und zu Neuwahlen aufgerufen. "Diese Regierung handelt gegen Polen, gegen das, was wir erreicht haben, Freiheit, Demokratie, ganz zu schweigen davon, dass sie uns in der ganzen Welt lächerlich macht", sagte Walesa am Mittwoch dem Sender Zet. Er rief dazu auf, ein Referendum zu organisieren, in dem die Bevölkerung ihren Unmut über die Regierung manifestieren und vorgezogene Parlamentswahlen fordern solle.

Auch der Ton des derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Luxemburg wurde schärfer. Die Ratspräsidentschaft forderte die EU-Kommission auf, die polnische Regierung nach Brüssel vorzuladen. "Die Einschränkung der Rechte des Verfassungsgerichts ist nicht akzeptabel", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn am Mittwoch im Reuters-Interview. "Es geht um die Grundrechte nicht nur Polens, sondern der EU, die hier verletzt werden. Deshalb müssen die EU-Kommission, das Europäische Parlament und notfalls auch der EU-Rat handeln", sagte Asselborn. Zuvor hatte er den Rechtsruck bereits als "furchterregend" bezeichnet, Parallelen zu sowjetischen Methoden gezogen und offen mit einem Stimmrechtsentzug auf EU-Ebene für Polen gedroht. (APA, 23.12.2015)