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Foto: dpa / Andreas Gebert

Planen Sie heute noch schnell ein paar Weihnachtsgrüße per SMS zu verschicken? Dann tun Sie gut daran, Ihre Wünsche ohne abschließenden Punkt zu formulieren. Eine Gruppe von Psychologen an der Universität Binghamton hat nämlich soeben in einer wissenschaftlichen Studie ("Texting insincerely: The role of the period in text messaging") ermittelt, dass mit einem Punkt versehene SMS-Botschaften auf den Empfänger "weniger ehrlich" wirken als solche, bei denen sich der Schreiber den Punkt erspart hat. "Wünsche dir frohe Weihnachten." – Das kann wohl nur erstunken und erlogen sein.

Das Punkt-Beispiel zeigt einmal mehr die beträchtlichen Unterschiede auf, die die orthografischen Sitten in der "wirklichen Welt" von jenen in der digitalen Kommunikation trennen. Bei der Deutschschularbeit ist ein fehlender Punkt nach einem Satz ein Fehler; in einer SMS-Nachricht dagegen ein Ehrlichkeitsindiz. Das Motto für SMS-Schreiber, die Wert auf ein treuherziges Erscheinungsbild legen, muss künftig "Jetzt mach aber mal keinen Punkt!" lauten.

Trotz seiner womöglich leicht verlogenen Aura möchten wir den Punkt (entlehnt aus dem Lateinischen "punctum", "Stich", zu "pungere", "stechen") nicht missen. Als Zeichen, dass es mit einem Satz zu Ende gegangen ist, leistet er in längeren Texten ebenso unschätzbare Dienste wie in vielen schönen Redensarten: die "dunklen Punkte", die "springenden Punkte", die "toten" und die "wunden" Punkte – sie alle würden wir nur ungern entbehren (win, 24.12.2015)