Die Bosnierin Lea Maestro aus Sarajevo wird Spanierin.

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Die Sarajevoer Haggada wurde etwa 1314 in Spanien geschrieben und von sephardischen Juden, die 1492 vertrieben wurden, nach Bosnien gebracht. Es handelt sich um das älteste Zeugnis jüdischer Buchkunst in Spanien. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es von Muslimen versteckt und gerettet.

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"Wie töricht sind die spanischen Könige, dass sie ihre besten Bürger ausweisen und ihren ärgsten Feinden überlassen", soll der osmanische Sultan Bayezid II. gesagt haben, als im Jahr 1492 durch das Ausweisungsedikt "Alhambra" die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragonien die Juden zur Konversion zum Christentum oder zur Emigration zwangen. Das Osmanische Reich nahm viele der etwa 130.000 Vertriebenen auf.

Sephardische Gemeinden gab es seitdem auch auf dem Balkan, etwa in Sarajevo. Durch ein Gesetz können Nachkommen dieser Vertriebenen die spanische Staatsbürgerschaft beantragen. Die 30-jährige Lea Maestro aus Sarajevo hat dies getan: 524 Jahre nachdem ihre Vorfahren vertrieben worden waren. Im Februar wird sie Spanierin werden.

Einladung zur Hochzeit

Maestro trug in den vergangenen Jahren Dokumente zusammen, die beweisen konnten, dass ihr Nachname seit Jahrhunderten in Bosnien-Herzegowina zugegen war. Sie fand etwa Zeitungsausschnitte von einer jüdischen Hochzeitsfeier in Sarajevo, in denen der Name "Maestro" erwähnt wurde. Aus der Zwischenkriegszeit sind auch noch Ehestandsregister vorhanden. Insgesamt hat sie sieben Jahre gewartet, bis die spanischen Behörden ihr Ansuchen positiv beantworteten.

Nun will sie nach Grenada gehen, um ein Masterstudium in Lebensmitteltechnologie zu machen. "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass alles gut wird", sagt sie. "Ich habe zwar noch kein Stipendium und weiß nicht, wie ich leben kann, aber ich weiß, dass ich nach Spanien gehen soll."

Weigerung des Großvaters

Als die sephardischen Juden vom Balkan in den 1970er-Jahren von König Juan Carlos nach Toledo eingeladen wurden, sollte auch Lea Maestros Großvater nach Spanien fliegen. Doch er weigerte sich, weil er aufgrund der Familienüberlieferung fest davon überzeugt war, dass seine Familie keineswegs aus Toledo, sondern aus Valencia stammte. Die Enkelin ging der Sache nach. Und tatsächlich: Das letzte Mal wurde der Name "Maestro" im Geburtsregister 1492 in Valencia erwähnt.

Maestros Großvater hat das KZ Jasenovac nur knapp überlebt – und nie darüber gesprochen. Seine erste Frau war während des Ustascha-Regimes in dem KZ in Ðakovo im heutigen Kroatien inhaftiert. Auf dem Friedhof in Ðakovo wurden 600 Juden, die im Ustascha-Lager umkamen, begraben.

Die verlorene Tante

50 Jahre später rekonstruierte Lea Maestro aus Eigeninitiative die Gräber der Sepharden – viele von ihnen aus Sarajevo. Und sie sorgte dafür, dass neue Grabschilder angebracht wurden. Das Projekt ist auch in Israel in der Gedenkstätte Yad Vashem bekannt.

"Damals habe ich in Ðakovo ein Grabschild mit meinem Nachnamen gefunden" , erzählt Maestro dem STANDARD. "Ich habe meine Familie gefragt, ob sie etwas über ein Neugeborenes namens "Sarika Maestro" wüsste." Es habe sich herausgestellt, dass dies die Tochter ihres Großvaters und dessen erster Frau war, die im Lager gestorben war. Lea Maestro hatte ihre Tante gefunden, von der sie noch nichts gewusst hatte. "Als ich den Namen dieses Kindes sah, fühlte ich mich mit ihr verbunden. Ich war glücklich und traurig gleichzeitig", erzählt sie.

Maestros Großvater und Großmutter sprachen noch "Ladino" – die Sprache der spanischen Juden. Lea Maestro kann die Sprache zumindest verstehen, denn sie kann perfekt Spanisch. Sie verbrachte die Kriegsjahre ab 1992 in Malaga. Damals konnten sich die bosnischen Sepharden aussuchen, entweder nach Israel oder Spanien auszureisen. Die Familie Maestro lebte in einem Dorf in der Nähe von Malaga. "Ich habe in sieben Tagen Spanisch gelernt", erzählt sie von ihrer Kindheit.

Umsetzung eines Wunsches

Als ihre Eltern nach dem Ende des Bosnien-Kriegs 1996 nach Sarajevo zurückkehrten, wollte Lea, die damals elf Jahre alt war, in Spanien bleiben. "Wenn ich jetzt die Staatsbürgerschaft bekomme, so ist das nur ein Beweis für mich, dass mein Gefühl richtig ist. Ich habe diese Verbindung zu Spanien, das ist meine Heimat", meint sie. "Jetzt kommt der interessante Teil meiner Geschichte, die Umsetzung meines Wunsches." (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 26.12.2015)