Zwischennutzung ist für viele Kulturschaffende ein zweischneidiges Schwert. Gegen die drohende Delogierung des Kulturvereins Moë regt sich auch Widerstand.

Foto: Stefan Weiss

Wien – Steigende Mietpreise und Raumnot bringen prekarisierte Kulturschaffende seit Jahren in Bedrängnis. Die Idee, leerstehende Räume für günstige Zwischennutzungen zu öffnen, ist freilich nicht neu. In Wien kam sie sehr spät an. Auf Drängen der Künstler-Interessenvertretung IG Kultur gab es vor sechs Jahren die ersten Studien und Initiativen zum Thema. 2014 erschien schließlich eine umfassende Publikation, federführend ausgearbeitet von dem Kulturarbeiter Willi Hejda.

"Was sich gezeigt hat, ist, dass ein Teil Zwischennutzungen braucht, für kurzfristige Theater oder Ausstellungen, aber die meisten nach Mittel- bis Langfristigem suchen", sagt er. Oft würden aber bereits Zwischennutzungen an überzogenen Mieterwartungen privater Eigentümer scheitern. "13 bis 14 Euro pro Quadratmeter sind kaum leistbar. Für Kulturinitiativen sind sechs bis sieben Euro realistisch." Eine Petition der IG unter dem Titel "Leerstand öffnen!" wurde bereits im Stadtrat behandelt, aktuell kann man eine solche auch auf der Parlamentswebsite unterzeichnen. "Sie läuft bis Ende Jänner", sagt Hejda.

Das Interesse der Politik sei durchwegs vorhanden. Leerstand gebe es nämlich in allen Bundesländern, in Eisenerz in der Steiermark nütze man den bereits ganz gut. Eine Stadt, an der man sich laut Hejda orientieren könnte, sei vor allem Bremen. "Dort stellt man sehr offen auch die stadteigenen Immobilien zur Verfügung." Eine Sache, die sich Hejda auch von der Stadt Wien erwarten würde.

Wirklich zuständig fühlt sich niemand

Die will 2016 unter dem Titel "Kreative Räume" eine bereits seit 2010 angekündigte Servicestelle für Zwischennutzungen in Betrieb nehmen – als erste Adresse für private Immobilienbesitzer und suchende Kreative. Bei stadteigenen Immobilien verweist der Kulturstadtrat auf den Wohnbaustadtrat, und von dort geht es, auf das Thema kulturelle Zwischennutzung angesprochen, weiter zum Wirtschaftsressort. Wirklich zuständig fühlt sich niemand.

"Das ist auch der Grund", sagt Hejda, "warum es so lang gedauert hat, so eine Stelle zu etablieren." Es sei ein falsches Zeichen, den Privaten nahezulegen, "sie sollten Leerstände zur Verfügung stellen, aber unsere eigenen Immobilien geben wir nicht wirklich her". Aus dem Wohnbauressort heißt es dazu, dass man "selbstverständlich eine Zusammenarbeit mit ,Kreative Räume' anstrebt". Nur gebe es "grundsätzlich nahezu keinerlei Leerstände".

Das Kulturamt ist indes mit "Kreative Räume" bereits in der Ausschreibungsphase. 450.000 Euro soll die vorerst auf drei Jahre angelegte Servicestelle kosten. Zielgruppe sind Künstler, Wissensarbeiter und Start-up-Unternehmer aus der Kreativwirtschaft.

Zwölf Raumanfragen pro Woche

Aus ebendieser erwuchs 2014 auch Nest, eine private Agentur für Leerstandsmanagement. Die Gründer Lukas Böckle und Angie Schmied kamen durch ihr Architekturstudium mit dem Thema in Berührung. Mehr als 800 Anfragen bekam Nest im ersten Testjahr. "70 Prozent stammen aus dem kulturell-kreativen Bereich", sagt Schmied. Derzeit erhalte man zwölf Raumanfragen pro Woche. "Der Andrang vonseiten potenzieller Zwischennutzer ist derart groß, dass es uns derzeit nicht möglich ist, den Bedarf zu decken."

Dass Private im Leerstandsmanagement bereits ein Geschäftsmodell sehen, ist für Willi Hejda größtes Indiz dafür, wie sehr es an leistbarem Raum für Kulturschaffende mangelt. Er persönlich würde es aber niemandem empfehlen, in Zwischennutzung zu gehen, "wenn man dafür erst recht wieder marktübliche Preise zahlt".

Nest will nach eigenem Bekunden auch für den kleinen Geldbeutel Raum anbieten. Zudem sieht man in der geplanten Initiative der Stadt einen Verbündeten: "Wir denken, dass wir mit unserer Erfahrung eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt eingehen könnten." Im Kulturamt gibt man sich diesbezüglich noch vorsichtig: Nest mietet selbst Objekte an und nimmt Kulturschaffende als Untermieter. Das werde "Kreative Räume" nicht tun. Man sehe sich als Vermittler zwischen Immobilienbesitzern und Suchenden. Dennoch könne man einander künftig sinnvoll ergänzen.

Willi Hejda und die IG konzentrieren sich inzwischen auf die Bundesebene, fordern einen Privatisierungsstopp bei staatseigenen Immobilien, eine Leerstandsmeldepflicht oder auch -abgabe. (Stefan Weiss, 24.12.2015)