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Ministerpräsidentin Beata Szydlo und PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski (vorn rechts) während der Debatte über das Verfassungsgericht. Gegenwind von den Höchstrichtern haben sie künftig kaum zu befürchten.

Foto: Reuters / Agencja Gazeta

Warschau/Wien – Elf Stunden lang verhandelten Polens Abgeordnete in der Nacht auf Mittwoch über eine Neuorganisation ihres Verfassungsgerichts. Die emotional geführte Debatte konnte jedoch kaum darüber hinwegtäuschen, dass das Ergebnis von Anfang an so gut wie feststand: Bei der Abstimmung setzte sich erwartungsgemäß die rechtsnationale Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) durch, die im Sejm über eine absolute Mehrheit verfügt.

Die Gesetzesänderung sieht vor, dass alle Entscheidungen des Gerichts künftig mit Zweidrittelmehrheit gefällt werden müssen. Außerdem wird für dessen Beschlüsse das Quorum erhöht: Geht es nach der Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo, so sollen jeweils mindestens 13 der insgesamt 15 Verfassungsrichter an der Urteilsfindung beteiligt sein. Das neue Gesetz muss noch vom Senat, der zweiten Parlamentskammer, begutachtet werden. Dort hat die PiS jedoch ebenfalls eine absolute Mehrheit.

Was auf den ersten Blick aussehen könnte wie ein organisatorisches Detail im Umgang mit Verfassungsbeschwerden, bewerten Kritiker als schweren Schlag gegen die polnische Rechtsstaatlichkeit. Bereits zuvor hatte Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls aus den Reihen der PiS stammt, fünf neue Verfassungsrichter ernannt und damit eine Entscheidung des rechtsliberalen Vorgängerkabinetts ignoriert. Mit den nun beschlossenen Änderungen für die Beschlussfassung würde das Verfassungsgericht praktisch handlungsunfähig gemacht, argumentiert die Opposition. Die Regierung würde "verstohlen und in einer Atmosphäre des Misstrauens" handeln, lautete ein Vorwurf in der Parlamentsdebatte.

Proteste auf der Straße

Längst spielt sich der Widerstand gegen den Kurs von Polens neuer Rechtsregierung aber auch außerhalb des Sejm ab: auf den Straßen Warschaus, Danzigs, Breslaus und vieler anderer Städte. Ein erst im November gegründetes "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" (KOD) hat binnen weniger Wochen zehntausende Unterstützer gefunden und organisiert landesweit die Proteste.

Wie sehr die Eingriffe der polnischen Regierung in das Verfassungsgericht auch europäische Urängste um das Prinzip der Gewaltenteilung auslösen, zeigt die ungewöhnlich harsche Kritik aus dem Ausland. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, der die Vorgänge in Polen bereits zu Wochenbeginn als "furchterregend" bezeichnet hatte, legte am Mittwoch in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters nochmals nach. "Die Entwicklung in Warschau erinnert leider an den Kurs, den auch diktatorische Regime gegangen sind", sagte der Sozialdemokrat und forderte die Institutionen der Europäischen Union dazu auf, auf die Einhaltung der gemeinsam vereinbarten Grundwerte zu achten. Dass Warschau seine früheren Äußerungen bereits als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen hat, lässt Asselborn nicht gelten: "Wer sagt, dass Kritik der europäischen Partner nicht angemessen sei, der hat Europa nicht verstanden."

Skeptisch zu den Schachzügen der Regierung in Warschau zeigte sich auch Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer. Er verfolge die Änderungen beim polnischen Verfassungsgericht "mit großer Aufmerksamkeit", sagte Fischer im Gespräch mit der APA – und erinnerte dabei an die Lahmlegung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs im Jahr 1933, am Vorabend des Bürgerkriegs.

In Polen selbst hat sich indes auch ein ehemaliger Wegbegleiter von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski zu Wort gemeldet: Ex-Präsident Lech Walesa bezeichnete die neue Regierung als Gefahr für die Demokratie und rief zu einem Referendum über vorgezogene Neuwahlen auf. (Gerald Schubert, 24.12.2015)