An der tschechischen Grenze wachsen Integrationssprachkurse und koordinierte Anlaufstellen für bewegte Menschen, an der südsteirischen Grenze wachsen bauliche Maßnahmen (Bild).

Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Das die Tagespolitik beherrschende Thema ist seit nunmehr das mittlerweile für alle Bürgerinnen und Bürger spürbar erhöhte Flüchtlingsaufkommen in Österreich. Hat uns Lampedusa jahrzehntelang kaum tangiert, sind wir mit dem LKW- und Leichenfund an der burgenländischen Grenze plötzlich aus unserem Dornröschenschlaf erwacht und zwar nicht, weil gesetzliche Vorschriften sich geändert hätten, sondern weil die Zivilbevölkerung begann, aktiv in Problematiken zu agieren, die wir eigentlichen unseren recht gut entlohnten Politkerinnen und Politikern anvertraut hatten.

Nicht die Politik hat die Bevölkerung mitgenommen, sondern die Bevölkerung hat der Politik gezeigt, dass ihre Rückgratlosigkeit unerträglich ist. Problemlösungskompetenz der EU in Flüchtlingsangelegenheiten konnten wir bisher nur sehr bedingt verorten.

Bauliche Maßnahmen statt Sprachkurse

Um innerhalb Österreichs nur ja nichts verantworten zu müssen, setzt man nun auf Frontex und die Türkei und tut so, als wären diejenigen, die hier in Österreich angekommen sind, ohnehin auf der sicheren Seite angelangt. Dabei wird die Aufarbeitung von Flucht vor allem Im ländlichen Raum zu einem Großteil Ehrenamtlichen überlassen, die es vielleicht gut meinen, aber unter Aufbietung all ihrer Einsatzkraft recht schnell am Ende ihrer Belastbarkeit anlangen. Dann sind oft auch sie verstört, fremd, traumatisiert, enttäuscht. Ausgebrannt.

Bundes-, Landes- und EU-Gelder, die zum Beispiel in Niederösterreich an die Diakonie gehen, damit dort Integrations- und Bildungszentren auch in ruralen Zonen entstehen, wo von Obdachlosigkeit bedrohte anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Unterstützung in allen Lebensbelanden finden, gibt es in der Steiermark gar nicht. Hier regt sich wenig. Sogar jene, die migrationswissenschaftlich geschult und DaF-zertifiziert sind, also qualitativ vollwertige Deutschkurse flächendeckend anbieten könnten, wandern ab und müssen anderswo ihr Glück suchen. An der tschechischen Grenze wachsen Integrationssprachkurse und koordinierte Anlaufstellen für bewegte Menschen, an der südsteirischen Grenze wachsen bauliche Maßnahmen, die vor allem Steuergelder schlucken und auch Ortsansässige frustrieren.

Und noch mehr Private

Wie der Verfassungsrechtler Funk es ausdrückt, ist eine Grenze dort erreicht, wo die Voraussetzungen für zu erbringende Leistungen fehlen. Eine unabdingbare Voraussetzung für Integration am Land ist aber ein durch koordinierte Maßnahmen in die Wege geleitetes Stoppen der Landflucht. Ruraler Raum kann nur lebenswert erhalten werden, wenn die Infrastruktur an moderne Lebensverhältnisse angepasst, den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort Rechnung trägt. Das tut sie, indem sie Arbeitsplätze für gut ausgebildete Menschen bietet und sich nicht darauf verlässt, dass die dort – weil sie ihre Augen vor der Not der Hereinströmenden nicht verschließen können – schon freiwillig und gratis helfen werden.

Sich auf dem Wohlwollen der Bevölkerung auszuruhen, ist kein sympathischer Zug an demokratisch gewählten politisch Verantwortlichen. Mit jedem Tag wird die Ohnmacht der Regierenden sichtbarer. Das Einzige, was sie wirklich wollen, ist offensichtlich, dass weiterhin und noch mehr Private als bisher, sich um Menschen kümmern, die zwar gezählt und verwaltet, nicht aber teilhabend in unser System eingebunden werden sollen. Und zum guten Glück, nicht weil es ein Verdienst der Verantwortungsträger ist, gibt es viele Menschen, die helfen. (Eva Surma, 23.12.2015)