Ab den 1980er-Jahren hat Cheerleading auch in Europa an Popularität gewonnen. Diese Truppe stammt aus Österreich.

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Aurora – Nur ein bisschen zu lange hat sich die Cheerleaderin vor dem Transparent ihrer Mannschaft aufgehalten – und schon bricht eine Horde Footballspieler wie eine Bisonherde durch und stampft die Arme in Grund und Boden.

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Wie riskant ist Cheerleading? Dieser Frage sind US-Mediziner nachgegangen und bedienten sich dabei eines gewaltigen Datensatzes, nämlich dem des National High School Sports-Related Injury Surveillance System. Das Ergebnis ihre Studie ist zweischneidig: Cheerleading gehört in den USA zugleich zu den am wenigsten riskanten Schulsportarten (gemessen an der Zahl der Vorfälle) und zu den riskantesten (gemessen an der Schwere der Verletzungen).

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Aus einem Untersuchungszeitraum von fünf Jahren an im Schnitt 107 High-Schools ergab sich eine Gesamtzahl von über einer Million "athletic exposures" von Cheerleaderinnen – das kann eine Darbietung vor einer Sportveranstaltung sein, ein Training oder auch eine Teilnahme an einem Cheerleading-Wettkampf. Dieser großen Zahl stehen nur 752 Verletzungen gegenüber. Von 22 untersuchten High-School-Sportarten kam Cheerleading damit in Sachen Verletzungshäufigkeit erst an beruhigender 18. Stelle.

Etwas weniger günstig sah die Sache bei männlichen Cheerleadern aus. Kaum noch jemandem ist bewusst, dass das Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Cheerleading ursprünglich eine rein männliche Angelegenheit war. Heute sind männliche Cheerleader eine Randerscheinung, wie die im Vergleich mickrige Zahl von knapp 19.000 "athletic exposures" im Untersuchungssample zeigt. Die führten allerdings immerhin zu 25 Verletzungen – eine deutlich höhere Quote als bei den Frauen.

... einer Statistik

Typische Verletzungen bei beiden Geschlechtern sind Gehirnerschütterungen, Bänder- und Muskelfaserrisse, Knochenbrüche und Verstauchungen. Insbesondere Hebefiguren sind offenbar riskant. Und gemessen an der Art der Verletzungen sieht das Ranking der Sportarten gleich ganz anders aus: Wenn es um schwere Verletzungen geht, die die Betroffenen drei Wochen Rekonvaleszenzzeit oder noch mehr kosten, dann rauscht Cheerleading unter den 22 untersuchten Schulsportarten plötzlich vom 18. auf den 2. Platz vor.

Die Forscher um Dawn Comstock von der Colorado School of Public Health weisen darauf hin, dass es in den USA keine einheitliche Regelung gibt, ob Cheerleading als Sport oder als nachschulische Aktivität ähnlich einer Schauspielgruppe oder einem Schachclub behandelt wird. Angesichts des Verletzungsrisikos plädieren sie für die Einstufung als Sport. Das hätte nämlich verpflichtende Sicherheitsstandards als Konsequenz – von der Anwesenheit eines qualifizierten Trainers bei jeder Übung bis zur Bereitstellung von Matten, damit implodierende Hebefiguren keine Langzeitfolgen nach sich ziehen. (jdo, 31. 12. 2015)