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Besondere Spezialität: Kaffeebohnen, die den Verdauungstrakt eines Elefanten passiert haben. Kot von Großtieren spielt(e) aber eine weitaus wichtigere Rolle.

Foto: Foto:Apichart Weerawong/AP/dapd

Das Schaubild zeigt die Menge an Phosphor und anderen Nährstoffen, die Tiere einst jährlich von den Meerestiefen bis ins Innere der Kontinente transportiert haben. Darunter steht jeweils, wie stark sich dies seit der Ausbreitung des Menschen reduziert hat.

Illustration: PNAS/Renate Helmiss

Oxford/Burlington – Wenn wir von der Bedeutung von Organismen für die globalen Nährstoffkreisläufe sprechen, denken wir primär an Mikroben, vielleicht auch noch an Pflanzen. Tiere werden in diesem Zusammenhang traditionell eher vernachlässigt – und das könnte ein Fehler sein, monieren Forscher in einer Studie, die im Fachmagazin "PNAS" erschienen ist.

Den Grund dafür sieht das internationale Team um Studienleiter Christopher Doughty von der Universität Oxford darin, dass wir heute eine verzerrte Sicht auf das globale Ökosystem haben. Wir haben uns an Lebensräume gewöhnt, die, was Großtiere betrifft, seit Jahrhunderten (in den Meeren) beziehungsweise Jahrtausenden (an Land) extrem verarmt sind.

Lebende Phosphorpumpen

Als es noch eine zahl- und artenreiche Megafauna gab, wirkte diese wie eine "Verteilerpumpe", postulieren die Forscher in ihrer Studie. Vor allem das für Düngemittel wichtige Element Phosphor, das laut Doughty im nächsten halben Jahrhundert langsam knapp werden dürfte, soll durch Tiere immer wieder neu in den Nährstoffkreislauf eingebracht worden sein: Indem sie es mit der Nahrung aufnahmen, über weite Strecken transportierten und fernab der Quelle entweder als Ausscheidungsprodukt oder beim eigenen Tod und der Zersetzung des Körpers wieder freigaben.

Eine solche Pumpe sind den Forschern zufolge Wale: Sie holen Phosphor beim Fressen in tieferen Meeresschichten ab und setzen es in wahren Kotwolken nahe der Oberfläche wieder frei. Seevögel und sogenannte anadrome Wanderfische wie der Lachs tragen Nährstoffe weit ins Landesinnere. Und an Land selbst leiten migrierende Pflanzenfresser die Stoffe von den "Hot Spots", an denen sie fressen, in andere Regionen weiter.

Stark verringerte Leistung

All diese Pumpen laufen zwar heute noch, aber nur noch in stark verringertem Maße. Der industrielle Walfang hat die Populationen der großen Meeressäuger extrem ausgedünnt. So stehen geschätzt 350.000 Blauwalen, die es vor der Walfangära gab, heute weniger als 20.000 gegenüber. Wale bringen heute nur noch etwa 23 Prozent der einstigen Phosphormenge an die Oberfläche, ergaben die Berechnungen der Forscher.

Bei den anderen Pumpen sieht es noch schlimmer aus: Lebensraumzerstörung und Überfischung haben dazu geführt, dass Seevögel und wandernde Fische heute weniger als vier Prozent der einstigen Phosphormenge ins Landesinnere transportieren. Landlebende Pflanzenfresser mussten ihre Leistung ebenfalls um über 90 Prozent reduzieren.

Alles zusammengerechnet, liefert die "tierbetriebene" Nährstoffpumpe heute nur noch sechs Prozent ihrer einstigen Leistung. Nutztiere wie Rinder, die sich ebenso wie der Mensch explosionsartig ausgebreitet haben, stellen aber leider keinen geeigneten Ersatz dar, da sie umzäunt und damit lokal begrenzt leben.

Vierbeinige Ökosystem-Ingenieure

Eine weitere internationale Studie, ebenfalls in "PNAS" erschienen, ergänzt den Befund der ersten um die Rolle, die Großtiere für regionale Ökosysteme spielen. Seit dem Ende der Eiszeit hat der amerikanische Doppelkontinent den größten Teil seiner Megafauna verloren – teilweise durch die Klimaveränderung, hauptsächlich aber wohl aufgrund der Bejagung durch den damals einwandernden Menschen. In Nordamerika starben laut dem Forschungsteam um Anthony Barnosky von der Universität Berkeley etwa 60 Arten großer Säugetiere aus, in Südamerika beinahe 100: von Mammuts über Riesenfaultiere und Pferde bis zu großen Raubtieren, die von der Jagd auf die Pflanzenfresser gelebt hatten.

Und dieses Verschwinden hatte Folgen: So wich in Alaska mit dem Aussterben der großen Pflanzenfresser eine abwechslungsreiche Landschaft aus Wäldern und Grasflächen der heutigen Tundra, einer weit weniger lebensfreundlichen Umgebung. Auch entlang der Küsten veränderte sich mit dem Verschwinden von Mammut und Mastodon die Vegetation – und verringerte in der Folge die Vielfalt an kleinen Säugetieren. Wird ein Schlüsselelement aus dem System genommen, hat dies Auswirkungen auf viele andere Arten.

Studienkoautorin Elizabeth Hadly von der Unversität Stanford nennt Großtiere "Ökosystem-Ingenieure": Sie verhindern, dass sich einzelne Pflanzenarten übermäßig ausbreiten können, zugleich düngen sie über ihre Ausscheidungen den Boden und schaffen damit die Voraussetzungen für neues Wachstum. Hadlys Kollege Charles Marshall verweist auf Afrika, wo sich heute mit dem Schrumpfen der Elefantenbestände ähnliche Veränderungen in der Vegetation abzeichnen wie einst in Nordamerika.

Die Hoffnung lebt noch

Aber Hoffnung gibt es, wie Walexperte Joe Roman von der Uni Vermont betont. Er verweist auf das Beispiel des Bisons, der unmittelbar vor der Ausrottung stand und heute wieder einen Bestand von einigen hunderttausend Tieren umfasst. Und auch viele Großwalarten zeigen nach dem weitestgehenden Ende des kommerziellen Walfangs Anzeichen einer Erholung. Solche Schutzmaßnahmen gilt es laut Roman zu unterstützen – nicht nur den betroffenen Tierarten, sondern dem gesamten planetaren Ökosystem zuliebe. (jdo, 26. 12. 2015)