Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger verteidigt private Behandlungen: Der Gesetzgeber habe das so geregelt.

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Wien – Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger verteidigt die als Zwei-Klassen-Medizin kritisierte Praxis, dass Privatpatienten schneller Termine für bestimmte Untersuchungen oder Operationen bekommen als Kassenpatienten. Im APA-Interview begründete Wechselberger dies mit bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Neue Vorwürfe erhebt er auch in Sachen ELGA.

Im ASVG sei geregelt, dass die Behandlung ausreichend und zweckmäßig sein müsse und nicht das Maß des Notwendigen überschreiten dürfe. "Diese Einschränkung kennt die Privatmedizin Gott sei Dank nicht", sagte der Ärztekammer-Präsident. Privatpatienten fallen nicht unter die Einschränkungen des ASVG, und das gleiche gelte auch für Ärzte ohne Kassenvertrag. Wenn ein Kassenarzt eine Vertragsverpflichtung etwa für 20 Stunden pro Woche habe, dann müsse er für diese Zeit unter den einschränkenden Prämissen des ASVG tätig sein, "aber man wird mir dann wohl zugestehen, dass ich in der Zeit, in der ich nicht vertraglich gebunden bin, privatärztlich tätig werde". Und auf die Frage ob dieses System so in Ordnung sei, sagte Wechselberger: "Der Gesetzgeber hat das so gemacht."

Wartezeiten wegen fehlender Kassenstellen

Der Ärztekammer-Präsident begründete die zum Teil langen Wartezeiten für Kassenpatienten auch mit fehlenden Ärzte-Stellen. Wenn es die von der Ärztekammer geforderten zusätzlichen 1.000 Kassenstellen in allen Bereichen gäbe, dann müssten die Patienten auch nicht so lange warten, meinte er sinngemäß. Das im ASVG festgehaltene Maß des Notwendigen werde auch unterschiedlich interpretiert. Die Ärztekammer sehe es bei Wartezeiten von zwei Monaten auf einen MR-Termin als nicht erfüllt an, die Sozialversicherung hingegen schon. Die von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) geforderten Verhandlungen über einen neuen Vertrag haben bis jetzt noch nicht begonnen, erklärte Wechselberger. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die meisten MR-Untersuchungen von Instituten durchgeführt werden, für die die Wirtschaftskammer zuständig sei.

Für abgesagte Operationen wegen fehlender Ärzte, wie zuletzt in Innsbruck, macht Wechselberger ebenfalls die Politik verantwortlich. "Wir sind unserer Warnpflicht seit vielen Jahren nachgekommen." Die Ärztekammer habe immer wieder auf drohende Engpässe bei Ärzten hingewiesen. Wechselberger sieht jedenfalls dringenden Handlungsbedarf, attraktivere Arbeitsbedingungen und Gehälter für Ärzte zu schaffen, damit diese nicht weiter abwandern.

Elga: "Nicht ausgereift"

Die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) ist nach Ansicht Wechselbergers wegen mangelnder Datensicherheit und nicht garantierter Verfügbarkeit der Daten vorerst zwar für den Patienten zur Betrachtung seiner Daten geeignet, als Arbeitsgerät für die Ärzte allerdings "noch nicht ausgereift". Der Ärztekammer-Präsident verwies auf die jüngste ELGA-Verordnung. Demnach müssten die ELGA-Betreiber die Verfügbarkeit der Komponenten – also etwa Datenspeicher oder Verweisregister – nur in einer Kernzeit von Montag bis Donnerstag von 8.30 bis 16.30 Uhr und am Freitag von 8.30 bis 13.30 sicherstellen. Außerhalb dieser Zeiten sei dies zwar möglich, aber nicht garantiert.

Auch mit der "hochgelobten Datensicherheit" sei es "nicht so weit her", meinte Wechselberger unter Verweis auf die Verordnung. Bis 30.6.2016 könne nämlich ein ELGA-Datenspeicher in Betrieb gehen, auch wenn der Nachweis der erfüllten Datensicherheit bis dahin nicht erbracht sei. Außerdem müssten laut Gesetz die Daten nur im Transport verschlüsselt werden, nicht aber in der Speicherung. Und schließlich ist laut Wechselberger in der Verordnung auch festgehalten, dass erst ab 1.1.2018 die geeignete Dokumentstenstruktur für eine effektive Suchfunktion gewährleistet sei. Bis dahin würden Entlassungsbriefe als PDF gespeichert, wodurch eine medizinisch sinnvolle Suchfunktion nicht gegeben sei.

Sicherung der Hausapotheken

Bei dem von der Gesundheitsministerin geplanten, von der Ärztekammer jedoch abgelehnten Gesetz für die Primärversorgung (PHC) hofft Wechselberger auf "Vernunft". Er setzt auf Verhandlungen, allerdings gebe es bisher nur Gespräche auf Büroebene, er kenne aber noch keinen Gesetzesentwurf, über den man konkret verhandeln könnte. Klar ist für den Präsidenten aber: "Die Ärztekammer kann und will sich nicht aus der Vertragsgestaltung und aus der Planung der Vertragsstellen hinausdrängen lassen." Die Ärztekammer müsse weiter Gesamtvertragspartner bleiben. Die Versorgung im niedergelassenen Bereich müsse durch freiberuflich tätige Ärzte in Einzel- oder Gruppenpraxen gewährleistet bleiben, und nicht durch Primärversorgungszentren von Krankenanstaltenketten. Zudem wünscht sich Wechselberger eine Regelung, die den Bestand der Hausapotheken sichert. Ein Tauschgeschäft Hausapotheken gegen Aufgabe der Gesamtvertragskompetenz kommt für Wechselberger dabei nicht infrage. "Das wird es nicht geben."

Ziel der neuen Primärversorgung ist es auch, die Spitäler und die Ambulanzen zu entlasten. Zu Forderungen auch aus der Ärztekammer, den Zugang zu Ambulanzen zu beschränken, stellt Wechselberger klar, dass dafür zuerst der niedergelassene Bereich ausgebaut werden müsse. "Die Menschen stimmen mit den Füßen ab." Solange es nicht genug niedergelassene Ärzte mit ausreichenden Öffnungszeiten gebe, würden die Patienten eben in die Ambulanzen gehen. (APA, 27.12.2015)