Die Würfel sind gefallen. Kroatien hat einen neuen Mandatar, der nun einen Monat Zeit hat, eine Regierung zusammenzustellen. Der erste Auftritt von Tihomir Orešković hat aufgrund seiner schwachen Kroatisch-Kenntnisse in den sozialen Medien für viel Gelächter gesorgt. Er selbst hat mittlerweile auf Facebook einen Artikel geteilt in dem es hieß "wegen Heimatliebe verzichtet der neue Mandatar auf Millionen". Eine Anspielung auf sein hohes Gehalt als Generaldirektor des Pharmakonzerns Pliva. Kritiker ätzen wiederum, dass nun ein Pharmabetrieb über Kroatien herrsche.

Seine politischen Kompetenzen werden von einigen Politikerkollegen angezweifelt und ob ein Betriebswirtschafter weiß, wie eine Volkswirtschaft richtig zu führen ist, wird sich zeigen.

Wird aber Orešković tatsächlich das Land führen, oder ziehen im Hintergrund ganz andere Personen die Fäden, diese Fragen stellen sich viele. Tihomir Orešković wurde schon vor einigen Monaten von der HDZ (Kroatische Demokratische Union) für die Position des Premierministers angefragt, wie der Most-Politiker Petrov gegenüber kroatischen Medienvertretern bekannt gab.

Orešković ist ein HDZ-Mann

Damit wurden drei Vermutungen bestätigt: Erstens, die HDZ hatte sich schon im Vorfeld für eine mögliche Most-Koalition vorbereitet. Zweitens, die interne Hierarchie in der kommenden HDZ-Most-Koalition zeichnet sich ab und drittens, Orešković ist ein HDZ-Mann und kein ein unparteilicher Kandidat.

Für die HDZ hätte es nicht besser kommen können. Sie haben dem Junior-Partner Most ihre Wahl zum Premier aufgezwungen, gleichzeitig aber ihre Bedingung nach einem "unparteilichen" Experten als Premier erfüllt. Der Handlungsspielraum des neuen Premiers ist situationsbedingt sehr begrenzt. Sein Handeln ist vom Konsens innerhalb der Koalition abhängig und diese Koalition besteht aus zehn Parteien, sowie bis dato zwei Minderheitenvertretern. Die sechs anderen Minderheitenverterter, die bisher der linken Koalition, um den mittlerweile Ex-Premier Milanović, die Treue hielten, zeigen bereits Bereitschaft ein Teil der neuen Regierung sein zu wollen, sowie auch Radimir Čačić, der einen Parlamentssitz ergatterte.

Sonderstatus der HDZ

Innerhalb der Koalition ist aber ganz klar, wer das Sagen hat. Das ist nach wie vor die landesweit am besten organisierte und vernetze Partei, die kroatischen Christdemokraten. Niemandem sonst hätte die Bevölkerung die Korruptionsskandale, die bloß ein paar Jahre zurückliegen, so schnell verziehen und niemand kann so wild um sich schlagen wie die HDZ.

Sogar ihre Radikalisierung wird ihr nun zum Trumpf. In den Wahlen ist die HDZ mit der Ustascha-Partei HČSP (Hrvatska čista stranka prava) eine Liaison eingegangen. Das war ein klares Signal an die liberalen Parteien: Entweder mit euch, oder mit ihnen. Und die Liberalen beugen sich nun einer nach dem anderen. "Um", so wie es Čačić gegenüber den Medien zugab "ein weiteres Abdriften der HDZ nach rechts" aufzuhalten.

Petrov und Most üben sich im Wörterverdrehen

Während man in der HDZ nun den großen Erfolg feiert, hat Most mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Noch vor einigen Tagen wirkten sie so, als hätten sie alle Zügel in der Hand, als könnten sie mit den Großparteien auf Augenhöhe verhandeln. Als wären sie anders als die Großen und würden nicht ideologisch sondern pragmatisch agieren. Wie die kroatische Journalistin Ivanka Toma aber richtig kommentierte, war die letzt gültige Entscheidung für die HDZ und gegen die SDP (Sozialdemokraten) ideologischer Natur, denn für eine Koalition mit den Linken, konnten sich die Most-Mandatare nicht überwinden.

Einige der Wahlversprechen hat Most schon gebrochen und ihre Verhandlungsbedingungen haben sie mit dem gestrigen Absegnen des neuen Mandatars auch über Bord geworfen. So versprachen sie vor der Wahl, mit keiner der Großparteien eine Koalition einzugehen. Als Konsequenz des Wortbruchs übt sich nun ihr Parteichef Božo Petrov im Wörterverdrehen: "Das ist keine Koalition, das ist eine Zusammenarbeit", sagte Petrov gegenüber kroatischen Medien.

Ihre Verhandlungsbedingung, dass sie nur als "Brücke" zwischen den beiden Großparteien in einer Dreierkoalition Regierungsverantwortung übernehmen werden, ist nun auch obsolet.

Schicksal der dritten Kraft

Wovor Most sich nun am meisten fürchten muss, ist das typische Schicksal der dritten Kraft in Kroatien zu erleiden. Kroatiens Wählerschaft ist schon seit Jahren auf der Suche nach einer dritte Option, weg von den beiden Großparteien. Bei den Parlamentswahlen 2011 war noch die Arbeiterpartei (Laburisti) die dritte Kraft, bevor sie dann immer mehr an Bedeutung verlor und heuer ein Teil der von der SDP angeführten Wahlkoalition "Hrvatska Raste" wurde. Bei den Europawahlen 2014 waren dann die Grünen (ORaH) an der Reihe, die dritte Kraft zu sein. Ihr Einfluss nahm in der Folge immer mehr ab und bei den heurigen Parlamentswahlen zogen sie nicht einmal ins Parlament ein.

Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl Ende 2014 erreichte der Spitzenkandidat von Živi zid Ivan Vilibor Sinčić überraschenderweise mehr als 16 Prozent der Stimmen und viele dachten, dass bei den Parlamentswahlen für Živi zid ein ähnliches Resultat herausspringen könnte, schlussendlich erreichten sie jedoch nur ein Mandat.

Wem schließt sich Most in Europa an?

Und heuer war es dann die Partei Most, die zur Wahlüberraschung wurde. Aufgrund der 19 geholten Parlamentssitze wurde ihnen schlussendlich die Rolle des Königsmachers zuteil. Nach den Wahlen zerfleischte sich die Partei teilweise und vier Abgeordnete wandten sich von Most ab oder wurden ausgeschlossen und somit hat die Partei derzeit nur noch 15 Abgeordnete.

Ihr Wortbruch und ihr Zickzackkurs bei den Verhandlungen, könnten nun die kroatischen Wechselwähler dazu animieren bei den nächsten Wahlen wieder ihre Stimme einer neuen Partei zu geben. Zum endgültigen Lackmustest wird aber die europäische Ausrichtung der Partei werden. Entschließen sie sich, Teil der Europäischen Volkspartei zu sein, und einige Experten, gehen davon aus, wäre es schwer sich weiterhin als das dritte Lager zu positionieren, und nicht als die HDZ-Light, für welche sie ihre politischen Kontrahenten schon seit längerem halten. (Siniša Puktalović, 27.12.2015)