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Annäherung: Nawaz Sharif (links) und Narendra Modi.

Foto: APA / EPA / Press Information Bureau

Lahore/Delhi/Dubai – Indiens Premierminister ließ es sich nicht nehmen, die Neuigkeit selbst zu verbreiten. "Freue mich auf mein Treffen mit PM Nawaz Sharif in Lahore heute Nachmittag, wo ich auf dem Rückflug nach Delhi kurz haltmache", hatte Narendra Modi am Freitag nur Stunden vor seinem überraschenden Kurzbesuch beim pakistanischen Amtskollegen getwittert.

Zum ersten Mal seit fast zwölf Jahren betrat danach ein indischer Regierungschef den Boden des Nachbarlandes. Allein das gilt bei dem schwierigen Verhältnis zwischen den Erzfeinden als Sensation. Die regionalen Medien kannten fast kein anderes Thema. Von einer diplomatischen "Meisterleistung" und einem "Coup" sprachen indische Kommentatoren.

Modi hätte kaum einen besseren Zeitpunkt wählen können, um die Tür zu Friedensgesprächen wieder aufzustoßen. Es war nicht nur der erste Weihnachtstag, Sharif feierte am Freitag auch seinen 66. Geburtstag – und obendrein die Hochzeit seiner Enkelin. Das gab dem Treffen eine persönliche Note und hohe Symbolkraft, die beide Regierungschefs noch durch Gesten unterstrichen: Die Männer umarmten sich, tranken Tee zusammen und hielten kurz sogar demonstrativ Händchen.

"Gutes Zeichen"

Die neue Freundlichkeit weckt Hoffnungen auf einen Neuanfang in den Beziehungen der Atommächte. Modi war auf dem Rückflug von einer Reise nach Russland und Afghanistan, als er angeblich spontan beschloss, auf Einladung Sharifs in dessen Heimatstadt Lahore vorbeizuschauen. Damit signalisiere Modi erstmals klar, dass er hinter einem Annäherungskurs stehe, schrieben indische Medien. Auch der pakistanische Sicherheitsanalyst Talat Massud wertete Modis Besuch als gutes Zeichen für den Frieden. Zuletzt hatte der damalige indische Premier Atal Behari Vajpayee Anfang 2004 Pakistan besucht.

Sharif und Modi vereinbarten, dass die Außenstaatssekretäre am 15. Jänner 2016 Gespräche aufnehmen werden. Auch Pakistans mächtiges Militär soll den Dialog diesmal unterstützen. Dies lässt hoffen, dass sich die Beziehungen zwischen den Nachbarn allmählich entspannen, vielleicht sogar normalisieren.

Komplexe Ausgangssituation

Analysten warnen jedoch vor allzu viel Euphorie. Der Besuch sei ein wichtiger Schritt, aber eben nur ein Schritt auf einem langen Weg. Ein Durchbruch im Konflikt um die geteilte Bergregion Kaschmir ist nicht in Sicht. Dazu ist die Gemengelage viel zu komplex.

Die Erzfeinde führten drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir. Immer wieder wechselt ihr Verhältnis zwischen Eiszeiten und vorsichtigen Phasen der Annäherung. Jedes Säbelrasseln lässt in westlichen Hauptstädten die Alarmglocken schrillen, weil beide Länder über große Atomwaffenarsenale verfügen. Allerdings haben beide Seiten es in den vergangenen Jahren vermieden, den Konflikt eskalieren zu lassen. (Christine Möllhoff, 27.12.2015)