"Spectre" ist im Netz zum Download verfügbar

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Das kuschelige Heimkino kann rund um die Weihnachtszeit mit aktuellen Blockbustern bespielt werden: Wer sich ein bisschen mit Download- und Torrent-Webseiten auskennt und das Urheberrecht außen vor lässt, hat zurzeit die Qual der Wahl. Der neue Quentin-Tarantino-Streifen "The Hateful Eight" ist noch vor seinem Kinostart ebenso im Netz verfügbar wie "James Bond: Spectre", "Spotlight", "Suffragette", "The Martian" oder "Carol". Um nur wenige Filme zu nennen. Kurzum: Fast alle wichtigen Filme des Jahres lassen sich mit wenigen Mausklicks kostenlos herunterladen.

Rechteinhaber drohen mit FBI und Prozessen

Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt ein neues Piratenkollektiv, das laut eigenen Angaben "Oscar-Screener" abgefangen hat. So nennt man die DVDs, die an Jurymitglieder der Academy Awards versandt werden. Schon seit Jahren gelangen durch Screener im Kino laufende Filme ins Netz – und erfreuen sich enormer Popularität. Statt ernsthaft zu hinterfragen, warum so viele Menschen Urheberrechtsverletzungen begehen und sich Gratisfilme besorgen, droht Hollywood wieder einmal mit dem FBI und einer riesigen Anwaltsmaschinerie. Klar: Rechteinhaber haben das Gefühl, um Millionenbeträge bestohlen worden zu sein. Kinos bangen um Besucher. TV- und Streaming-Rechte sinken angeblich in ihrem Wert, wenn das Produkt online verfügbar ist.

Keine Milchmädchenrechnung

Doch die Filmindustrie muss beginnen, diese Thesen kritisch zu überprüfen:

  • Filme und TV-Serien werden immer gratis im Netz verfügbar sein. Um Piraterie zu stoppen, müssten massive Überwachungs- und Zensursysteme installiert werden, die politisch undenkbar sind.
  • Dass jeder Download einen "verloren Kunden" bedeutet, ist empirisch nicht haltbar. Studien zeigen, dass Menschen, die viele Filme gratis herunterladen, gleichzeitig mehr Geld für Kulturprodukte als andere Nutzer ausgeben.
  • Geldersparnis ist nur einer von vielen Gründen für "illegale Downloads". Oftmals ist der geladene Film in keinem nahegelegenen Kino verfügbar. Oftmals wird der Streifen nur spätnachts gezeigt. Vielleicht wollen sich Menschen den Film in der Originalfassung ansehen. Vielleicht haben sie schlicht keine Lust, ins Kino zu gehen.
  • Der traditionelle Verwertungszyklus ist 2015 nicht haltbar. Hollywood wäre es am liebsten, Menschen würden den Film in Kino sehen, sich einige Monate später die Blu-Ray besorgen und dann trotzdem noch bei der Fernsehausstrahlung mitfiebern. Doch wenn im Netz über "Star Wars" oder "Mission Impossible" diskutiert wird, will niemand auf die DVD warten.
  • Wer ins Kino gehen will, geht auch ins Kino. Der Hauptgrund für einen Kinobesuch sollte nicht die Exklusivität des Films sein – was ja de facto obsolet ist. Menschen wollen ins Kino gehen, weil sie dort Freunde treffen und den Film auf großer Leinwand mit tollem Sound genießen wollen.

Neue Modelle dringend nötig

Führt man sich das vor Augen, wird eigentlich klar, was die Filmstudios jetzt machen müssten. Wollen sie sich von Piraten nicht mehr länger auf der Nase herumtanzen lassen, gibt es keine Alternative zu einer radikalen Neuausrichtung: Filme sollten – im ungefähren Wert eines Kinotickets – sofort online verfügbar gemacht werden. Und zwar weltweit. Dass dieses Modell auch ökonomisch Sinn ergibt, bewies vergangenes Jahr "The Interview", das binnen weniger Tage durch Streaming und Downloads vierzig Millionen Dollar eingespielt hatte. Auf die Idee war Rechteinhaber Sony allerdings nicht allein gekommen – erst ein Hackerangriff und Drohungen gegen Kinoketten hatten das innovative Modell erzwungen. (Fabian Schmid, 28.12.2015)