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Seit dem Jahr 1992 demonstrierten jede Woche die überlebenden "Trostfrauen" für Kompensation vor der japanischen Botschaft in Seoul, nun erhalten sie Entschädigung.
Der größte historische Zwist zwischen Japan und Südkorea scheint nach sieben Jahrzehnten endgültig beigelegt: Am Montag einigten sich die Staaten in der sogenannten "Trostfrauen"-Frage. Mit diesem Euphemismus werden die überwiegend koreanischen Zwangsprostituierten bezeichnet, die während des Zweiten Weltkriegs in den Militärbordellen von Japans Armee dienen mussten.
Nun bot die japanische Regierung umgerechnet 7,5 Millionen Euro Entschädigung für die Überlebenden an. Außenminister Fumio Kishida sprach während einer Pressekonferenz in Seoul von einer "tief empfundenen Verantwortung" der japanischen Regierung, die "Würde und Ehre vieler Frauen massiv verletzt zu haben". Südkorea akzeptierte die Entschuldigung als "irreversibel".
Die historische Einigung könnte nun auch den Handel zwischen den Nachbarstaaten verstärken, der allein in den letzten vier Jahren um 20 Milliarden US-Dollar gesunken ist. Vor allem aber steht die Annäherung im Interesse des gemeinsamen Verbündeten: Die Vereinigten Staaten haben mit 75.000 Soldaten rund die Hälfte ihrer Auslandstruppen in Japan und Südkorea stationiert. Während China zunehmend selbstbewusster agiert und Nordkorea weiterhin seine Ambitionen als Atommacht verfolgt, fordern die Amerikaner verstärkt trilaterale Militärkooperationen. Harmonische Beziehungen zwischen Japan und Südkorea sind ein Schlüsselfaktor zur Stabilität in der Region.
Kolonialherrschaft
Dabei wurde die koreanische Halbinsel noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom japanischen Kaiserreich kolonialisiert. Keine historische Wunde hatte sich seither schmerzlicher in die koreanische Kollektivpsyche eingebrannt als die systematische Verschleppung armer Frauen aus der koreanischen Provinz, oftmals minderjährig, die unter falschen Versprechungen und teilweise auch Gewaltanwendung in die Zwangsprostitution gelockt wurden. Historiker sprechen von bis zu 200.000 Frauen, von denen sich viele nach Ende des Krieges oft heimat- und familienlos in der chinesischen Provinz niederließen. Aus Scham blieb das Gros von ihnen anonym.
Seit Jahrzehnten herrscht unter Nationalisten ein erbitterter Kampf um die Hoheit der Geschichtsschreibung: Für japanische Rechtsradikale gelten die Trostfrauen als gewöhnliche Prostituierte. Wer als Reporter oder Forscher diese Sichtweise anzweifelt, muss mit ihrem fanatischen Zorn rechnen. Doch auch in Südkorea wurde der Streit regelmäßig politisch instrumentalisiert. Als einige der überlebenden Trostfrauen finanzielle Entschädigungen von privaten Geldgebern aus Japan annahmen, wurden sie von koreanischen Aktivisten als "projapanische Verräterinnen" geächtet. Zudem wird gern verschwiegen, dass auch koreanische Kollaborateure von der Zwangsprostitution profitierten.
"Die Trostfrauen-Frage benötigt eine differenzierte Perspektive", sagte die Geschichtsprofessorin Park Yu-ha kürzlich bei einem Korrespondententreffen in Seoul. Sie versuchte sich daran in ihrem jüngsten, kontrovers diskutierten Buch. In diesem verglich sie das System der japanischen Trostfrauen mit den Prostitutionsbarracken rund um die US-Militärbasen, die in den 60er- und 70er-Jahren mithilfe des damals autoritär geführten Südkoreas entstanden. Viele der Frauen wurden von Menschenhändlern in die Prostitution gezwungen. Nun muss sich Park Yu-ha wegen Diffamierung vor Gericht verantworten.
Die offizielle Kompensation der japanischen Regierung kommt für die meisten viel zu spät: Erst vor wenigen Wochen ist erneut eine ehemalige Zwangsprostituierte mit 96 Jahren gestorben. Nur noch 46 von ihnen sind noch am Leben. (Fabian Kretschmer, 28.12.2015)