Mehr als sieben Jahrzehnte hat es gedauert, nun wollen Tokio und Seoul "unumkehrbar" einen Schlussstrich unter ein besonders belastendes Element ihrer gemeinsamen Geschichte ziehen. Beide verpflichten sich dazu, künftig keine Kritik mehr aneinander zu üben in der Frage jener vermutlich hunderttausenden Frauen, die von der japanischen Kolonialmacht bis 1945 zur Prostitution für Soldaten gezwungen wurden.

Japans Premier Shinzo Abe ließ den Frauen via Abkommenstext nun seine "aufrichtige Entschuldigung und sein Bedauern" ausrichten. Diese Geste ist zu respektieren, auch wenn sie reichlich spät kommt. Ob sie glaubhaft ist, ist aber zu bezweifeln. Wenig später wiederholte Abe in Tokio einmal mehr, was für ihn in Wahrheit im Vordergrund steht: Die Sache sei nun abgehakt, künftige Generationen müssten sich nicht mehr entschuldigen. Der Ablass ist Tokio eine Milliarde Yen (7,6 Millionen Euro) wert: So viel zahlt Japan in einen Fonds ein, der einstigen Zwangsprostituierten zugutekommt. Nur noch 46 sind am Leben.

Die Schlussstrich-Rhetorik lässt auch nicht vermuten, dass Japans Regierung das tun will, was Vergangenheitsbewältigung eigentlich bedeuten würde: etwa ihre Kampagne zur Änderung von Schulbüchern und zum Druck auf Medien zu beenden, die gedrängt werden, die Geschichte weißzuwaschen. Oder dass sich Abe bei den Frauen aus China, den Philippinen und anderen Staaten entschuldigt, die ebenfalls zur Prostitution gezwungen wurden.

Ob es um ein ernstes Bemühen der Aufarbeitung geht, muss sich aber auch Seoul fragen lassen. Denn es ist offensichtlich, dass das Abkommen vor allem wegen äußeren Drucks zustande kam – von der Wirtschaft in beiden Staaten, und vor allem von den USA. Denn Washington kann sich im Machtkampf mit China und in der Nordkorea-Frage keine Zwietracht unter den engen Verbündeten leisten. (Manuel Escher, 28.12.2015)