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Die liberale Intelligenz in Haft: "Cumhuriyet"-Chef Can Dündar.

Foto: AP Photo / Vedat Arik, Cumhuriyet

"Diese Person wird dafür schwer bezahlen", hat Recep Tayyip Erdoğan dem Fernsehpublikum versprochen. Auch für türkische Verhältnisse war die Drohung des Staatspräsidenten gegen den Chefredakteur von "Cumhuriyet", der wichtigsten Oppositionszeitung des Landes, beispiellos.

So, wie es der Staatschef im Juni – eine Woche vor den Parlamentswahlen – in seinem Palast vor laufenden Kameras in kalter Wut ankündigte, geschieht es nun auch. Staatsanwalt und Richter haben sich schnell gefunden, um Can Dündar einen Prozess zu machen.

Der in der Türkei bekannte 54-jährige Journalist und Buchautor muss sich wegen Spionage, Enthüllung von Staatsgeheimnissen und "terroristischer Aktivitäten" verantworten. Sein zweiter Monat in Untersuchungshaft in Silivri, 80 Kilometer außerhalb von Istanbul, beginnt gerade. Dabei haben Dündar und der ebenfalls verhaftete Ankara-Bürochef der Zeitung, Erdem Gül, nur einen Artikel geschrieben, gestützt auf ein Video, das ihnen zugespielt wurde: ein Lkw-Transport des Geheimdienstes mit Waffen für Rebellen in Syrien 2014, gestoppt von der Gendarmerie, die alles filmte. Dafür könnten beide lebenslang bekommen.

Ein Freispruch scheint kaum vorstellbar. Er käme einer Bloßstellung Erdoğans gleich, der Dündar persönlich geklagt hatte.

Denn der Mann mit der Lockenmähne und den runden Brillengläsern scheint all das, was Erdoğan verhasst ist: die "weißen Türken", das alte Establishment, das stets mit dem Militär und nun mit dem Netzwerk von Erdoğan-Feind Fethullah Gülen paktiert; die Bourgeoisie, die zwischen Istanbul, Bodrum und Paris jettet und das fromme Arbeitervolk aus Anatolien verachtet.

Can Dündar, 1961 in Ankara geboren, stammt in der Tat aus einer Beamtenfamilie. Sein Vater Ali Riza soll Geheimdienstagent gewesen sein, wird behauptet. Der Sohn besucht das Atatürk Lisesi, eines der besten Gymnasien des Landes. Er studiert Journalismus und Politik, sein Weg durch die Medien läuft wie von selbst – Staatssender TRT, eigene Programme in den großen Nachrichtenkanälen, Kolumnist des liberalen Blatts "Milliyet". Doch dann ist Schluss. Wegen regierungskritischer Beiträge während der Gezi-Proteste 2013 wird Dündar bei "Milliyet" entlassen. Er findet Zuflucht bei "Cumhuriyet", dem alten Kemalistenblatt, dem er als Chef ab Februar 2015 ein moderneres Aussehen gibt. Dündar ist verheiratet und hat einen Sohn. Ege Dündar ist auch Journalist. (Markus Bernath, 28.12.2015)