Joy Mangano (Jennifer Lawrence) erzählt nicht so sehr die Erfolgsgeschichte eines Haushaltsutensils, sondern verfolgt den Bildungsweg einer bezaubernden jungen Frau durch die bizarre Welt des zeitgenössischen Amerika.

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Wien – Die besten Ideen kommen einem in den seltsamsten Augenblicken – zum Beispiel auf einer Yacht einer stinkreichen italienischen Witwe (Isabella Rossellini), auf der alles erlaubt ist, außer Rotwein auf dem teuren Holzboden zu verschütten. Was dann natürlich trotzdem passiert, sodass Joy Mangano (Jennifer Lawrence), die unermüdliche Heldin des Films, selbst die Ärmel hochkrempelt und das Schlimmste zu verhindern versucht. An ihre Hände beziehungsweise die Glasscherben denkt sie dabei nicht. Nach dem Auswringen des Putzfetzens muss die Seefahrt deshalb schnell abgebrochen werden.

Doch Joy kommt durch das Missgeschick Anfang 1990 auch der entscheidende Einfall: ein Mopp, der das Leben vereinfacht, indem er die Finger im Trockenen belässt. David O. Russells Joy erzählt freilich nicht nur die Erfolgsgeschichte dieses praktischen Haushaltsutensils, die sich ungewöhnlich schwerfällig anließ, sondern ist primär auf seine Erfinderin ausgerichtet, eine "daring woman", eine kühne Frau, wie es schon in einem Insert zu Beginn des Films heißt. Die Tochter eines Autowerkstattbesitzers (Robert De Niro) und einer TV-Soap-Opera-Süchtigen (Virginia Madsen) vermag sich gegen ihre eigene Herkunft sowie eine Mauer an Widerständen durchzusetzen.

Doch halt: Joy ist mitnichten nur eine dieser klassischen Jeder-kann-es-schaffen-Parabeln, mit denen der amerikanische Traum mühsam am Leben gehalten wird. David O. Russell benutzt das Narrativ eher wie ein elastisches Band, das er in alle erdenklichen Richtungen dehnt und streckt. Der US-Regisseur hat sich mit Filmen wie The Fighter, Silver Linings Playbook und der völlig überdrehten Gaunerkomödie American Hustle in den letzten Jahren als einer der spielfreudigsten Filmemacher seines Landes etabliert.

Gemeinsam mit seinem recht konstanten und stets gut gelaunten Schauspielerensemble, in dem Jennifer Lawrence die zentrale Leuchtkraft ist, geht er stets ein paar Schritte weiter als andere, sucht emotionale Höhen, forciert die Übertreibung, den Exzess. Nichts scheint er mehr zu fürchten als den Stillstand, was die Hochfrequenz der Ideen seiner Filme mitunter auch bemüht wirken lässt. Doch der Ertrag seines atemlosen Stils an überraschend irritierenden, einfühlsamen Szenen ist dann doch meist höher.

Streben nach Glück

Deshalb muss man auch Joy wörtlich nehmen, und zwar als Film über die Suche nach Freude, über das berühmte Streben nach Glück. Die Erfindung des Mopps ist das Zaubermittel, um den erdrückenden Sorgen des Alltags zu entgehen.

"17 unglückliche Jahre" sind genug – es ist die Zeitspanne, die das kleine Mädchen gebraucht hat, um erwachsen zu werden und dabei seine Illusionen fast zu verlieren. Die Mutter kommt aus dem Bett nicht hoch, der Vater ist ein Choleriker, die Großmutter, die stets an Joy geglaubt hat (und die Geschichte noch aus dem Jenseits erzählt), gestorben. In einer von Russells wundersam artifiziellen "Kitchen-Sink"-Variationen fährt die überbewegliche Kamera auf Joys mit Handtuch umwickelten Kopf zu, als sie nach Herzenskräften brüllt. Auch ihr Prinz, der Musiker Tony (Edgar Ramirez), ist ein – immerhin – sympathischer Verlierer. Ihr Weg in die Emanzipation, in die nicht viel weniger bizarre Welt des Verkaufs, die Joy von Mall-Parkplätzen ins Instant-Shopping-Fernsehen (mit Bradley Cooper als großartig heruntergedimmt spielendem Chef) führt, inszeniert Russell mit seinem alles überstrahlenden Star Jennifer Lawrence nicht so sehr als Verwandlung, vielmehr als Reise zurück zum Kindheitstraum. Mit dem Mopp in der Hand ist Joy endlich ganz sie selbst.

Das alles kann zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film ein hektisches Durcheinander bleibt und auch mit seinem Erzählrhythmus gewisse Probleme hat. Doch David O. Russell nimmt keine Flucht in die Vorhersehbarkeiten der Konvention, sondern findet noch an den unpassendsten Orten Momente des Staunens. Ein Spielzeuggeschäft mitten in Texas, aus dem künstlicher Schnee spuckt? Joy ist der seltsame Fall eines Films, der an seine Figuren wie an ein Märchen glaubt und dabei trotzdem nicht den Humor verliert. (Dominik Kamalzadeh, 30.12.2015)