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Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel haben die EU durch dieses schwierige Jahr geführt.

Foto: EPA / Olivier Hoslet

Als Katastrophenjahr, als „annus horribilis“, wurde 2015 für die Europäische Union vielfach bezeichnet. Uneins, hilflos und schwach sei sie im angesichts der großen Herausforderungen, sogar von Spaltung und Untergang bedroht, hieß es.

Tatsächlich war das Jahr für Europa ein besonders schwieriges. Aber man kann die Leistung der EU auch ganz anders sehen: Sie hat die harten Prüfungen gemeistert oder zumindest soweit bestanden, dass sie mit mehr Zuversicht ins neue Jahr blicken kann.

Erfolg in der Ukraine

Der größte Erfolg der EU ist die Ukraine-Politik. Vergessen wir nicht: Auslöser für den Konflikt war der Wunsch der großen Mehrheit der Ukrainer, ein Assoziierungsabkommen mit der EU abzuschließen, als ersten Schritt zu einer Westintegration.

Russland sah dies als Bedrohung seines Machtbereichs und versuchte dies mit allen Mitteln zu stoppen – durch die Annexion der Krim, die Besetzung der Ostukraine durch verbündete Separatisten und massiven wirtschaftlichen Druck gegen die EU-freundliche Regierung in Kiew.

All das hat nichts genützt. Die Ukraine ist nicht zerbrochen, und am 1. Jänner tritt nun das Freihandelsabkommen, der wirtschaftliche Teil des Vertrags, in Kraft. Geholfen hat, dass die EU eine gemeinsame Front gegenüber Russland in Form von Sanktionen aufgebaut und diese aller internen Kritik zum Trotz gehalten hat. Das ist ein großer Erfolg für die EU mit langfristiger Bedeutung für Osteuropa.

Positive Bilanz beim Euro

Auch beim Euro ist die Bilanz positiv. Der Wahlsieg von Syriza in Griechenland und der Versuch der Regierung von Alexis Tsipras, die Regeln der Eurozone einseitig zu ändern, war eine weitere große Herausforderung. Die anderen Staaten haben zusammengehalten und die Griechen haben am Ende entschieden, unter Anerkennung aller früheren Verpflichtungen im Euro zu bleiben.

Ob das Euro-Regelwerk sinnvoll ist, bleibt dahingestellt; aber all jene, die den Sparkurs für schwer verschuldete Länder verurteilen, haben keine realistische Alternative aufgezeigt.

Kein Land wird je austreten

Die Entscheidung Griechenlands wird die Währungsunion stärken. Der Spiegel- und Financial-Times-Kommentator Wolfgang Münchau behauptet zwar, dass allein der Aufruf des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble zum "Grexit" aus der Währungsunion ein optionales fixes Wechselkurssystem wie den Goldstandard gemacht hat. Aber man kann das auch anders sehen: Wenn Griechenland unter diesen Umständen nicht ausgetreten ist, obwohl so viel dafür gesprochen hat, dann wird kein Land je austreten.

Und wenn Syriza die Regeln der Eurozone nicht einseitig abwerfen konnte, dann wird es keiner anderen Regierung gelingen. Auch die neue Linksregierung in Portugal bleibt grundsätzlich auf einem Kurs, den sie eigentlich ablehnt, und in Spanien wird Podemos trotz seines starken Abschneidens wohl kaum eine Rolle spielen.

Bei Flüchtlingen schlechter

Beim Thema Flüchtlinge, der größten Herausforderung des Jahres, schaut die EU viel schlechter aus. Aber man darf nicht vergessen, dass dies ein Bereich ist, der zum Großteil außerhalb der EU-Verträge liegt und tief in die Souveränität der Staaten eingreift. Ein gemeinsames Vorgehen bei Einwanderung und Asyl wäre zwar wünschenswert, ist aber noch Zukunftsmusik.

Aber dank deutscher Führungsstärke nahm Europa die Flüchtlinge auf, und zum Schluss gab es auch erste Ansätze für eine koordinierte Vorgangsweise: Das Abkommen mit der Türkei und die Stärkung der Grenzschutzbehörde Frontex könnten den Flüchtlingsstrom 2016 zumindest bremsen; das würde ein etwas solidarischeres Vorgehen im neuen Jahr erleichtern.

Mühsame Verhandlungen

Wer die EU beurteilt, muss immer bedenken, dass dies kein Nationalstaat wie die USA, sondern eine Gemeinschaft von 28 immer noch souveränen Staaten ist, in dem jeder Beschluss durch mühsame Verhandlungen erarbeitet werden muss.

Noch nie wurde auf europäische Ebene so viel verhandelt wie 2015. Das Ergebnis war zwar durchwachsen, aber nüchtern gesehen besser als behauptet. (Eric Frey, 31.12.2015)