Überrumpelt kann sich niemand fühlen. Zehn Jahre hatten die Unternehmen Zeit, ihre Geschäfte behinderten Menschen barrierefrei zugänglich zu machen. Es gab also durchaus ausreichend Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Das heißt freilich nicht, dass die Umbauten für alle leicht zu schultern sind. Vor allem bei kleineren Betrieben können auch einige Zehntausend Euro massiv ins Gewicht fallen.

Behindertenvertreter sehen vor allem im Tourismusbereich noch Nachholbedarf. Allerdings sind die Probleme sicher nicht überall gleich groß. In Städten werden Menschen mit körperlichen Einschränkungen in aller Regel sehr wohl entsprechend ausgestattete Hotels finden. Manche Anbieter werden sich auch ganz gezielt auf diese Klientel konzentrieren. Schwieriger wird es natürlich in abgelegeneren Gegenden, wo der touristische Konkurrenzkampf nicht so stark ausgeprägt ist. Hier werden behinderte Gäste definitiv eingeschränkt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Seine Rechte bei Gericht einzuklagen wird in der Praxis wohl nicht allzu oft passieren. Dafür sorgt eine typisch österreichische Lösung im Gesetz. Man kann zwar klagen, muss vorher aber ein Schiedsverfahren durchlaufen und bekommt maximal den erlittenen Schaden ersetzt. Ein Umbau kann aber nicht erzwungen werden.

Typisch österreichisch ist auch die Bevorzugung der öffentlichen Hand. Sie hat sich für die Adaptierung ihrer Gebäude längere Übergangsfristen genehmigt. Besonders frustrierend muss für Behinderte auch sein, wenn sie auf Hinweistafeln lesen müssen: Die nächste barrierefrei gestaltete Straßenbahn kommt in 28 Minuten. Das heißt de facto: Ausweichen auf ein (teureres) Taxi. Natürlich kämpft aber auch der Staat mit knappen Kassen, vor allem seit Ausbruch der Finanzkrise. Der Politik muss aber bewusst sein: Sie behindert einen Teil der Bevölkerung. (Günther Oswald, 31.12.2015)