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Nepal befürchtet, dass Indien hinter der Grenzblockade steckt.

Foto: REUTERS/Navesh Chitrakar

Kathmandu/Delhi – "Unmenschlicher als Krieg" sei die Blockade, empört sich Khadga Prasad Oli. Seit Nepals neuer Regierungschef am 11. Oktober sein Amt antrat, schlägt er sich mit einer Doppelkrise herum. Die arme Himalaya-Nation kämpft nicht nur weiter mit den Folgen des schlimmsten Erdbebens seit acht Jahrzehnten. Zudem leidet das Land unter einer inoffiziellen Handelsblockade: Seit drei Monaten kommen kaum noch Güter über die indische Grenze nach Nepal.

Hilfsflüge für die Erdbebenopfer mussten mangels Treibstoff bereits gestoppt werden. Dabei hausen laut Vereinten Nationen noch immer etwa 200.000 Familien in Notzelten in Höhen von über 1500 Meter, wo der Winter besonders hart ist.

Erste Reise: China

Nepals Regierung glaubt, den Schuldigen für das Embargo zu kennen: Indien. So sauer ist Regierungschef Oli auf den Nachbarn, dass er nun verkündete, nicht wie traditionell üblich zuerst Indien zu besuchen, sondern Anfang 2016 nach China zu reisen. Dies ist ein deutliches Signal.

Kathmandu wirft Delhi vor, die 28 Millionen Einwohner zählende Nation auszuhungern. Die Republik, die eingezwängt zwischen Indien und China im Himalaya liegt, ist abhängig von Delhi: 66 Prozent aller Güter kommen auf dem Landweg aus Indien. Doch seit Ende September blockieren die Madhesi, eine nepalesische Volksgruppe mit engen Banden zu Indien, die Grenzübergänge.

Indien weist Vorwurf zurück

Rollen normalerweise täglich 300 Tanklaster über die Grenze, sind es nun nur noch fünf bis zehn. Trotz Protests Kathmandus lässt Indien die Madhesi im Niemandsland zwischen den Staaten demonstrieren und Lastwagen stoppen. In Kathmandu glaubt man, dass Delhi die Blockade nicht nur duldet, sondern dirigiert. Der Madhesi-Aufstand gilt der neuen Verfassung, durch deren Neuordnung der Wahlkreise sie sich politisch geschwächt fühlen. Sie wollen einen Neuzuschnitt der Provinzen.

Nepals Regierung wittert eine Finte: Delhi wolle die Madhesi-Provinzen so zuschneiden, dass sie wichtige Wasserreserven Nepals umfasse. Sollte es zu Krisen kommen, könne Indien geneigt sein, die Region zu annektieren. Delhi weist dies allerdings als Verschwörungstheorie zurück. Es gehe allein um eine faire Behandlung der Madhesi.

Inzwischen scheint Nepals Regierung bereit, den Madhesi entgegenzukommen. Sie will ihnen eine Vertretung in Regierungsorganen zugestehen. Die drei großen Parteien wollen auch neue Wahlkreise erörtern. Doch selbst wenn die Blockade bald enden sollte, hat das Verhältnis zu Indien gelitten. Dagegen nutzt China die Chance, die Bande zu vertiefen: Im Oktober spendierte Peking Nepal 1,3 Millionen Liter Benzin, nun will es weitere 1,4 Millionen Liter schicken. (Christine Möllhoff, 31.12.2015)