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Raymond van Barneveld hat Lunte gerochen.

Foto: ap/walton

London – Raymond van Barneveld hat bei der Darts-WM für die erste große Überraschung gesorgt. Nach dem Aus von Topfavorit Michael van Gerwen am Dienstag werden die Karten neu gemischt. Für den Dominator der Saison ist die WM wie im vergangenen Jahr vorzeitig beendet. Sein 22 Jahre älterer niederländischer Landsmann van Barneveld feierte dagegen in einem packenden Generationenduell auf ganz großer Bühne eine Wiederauferstehung.

"Die Weltmeisterschaft bedeutet mir alles. Es sieht so aus, als würde ich mir alles Glück immer für sie aufheben", sagte van Barneveld überschwänglich. Der einstige Dauerrivale der Legende Phil Taylor war nach einem schwachen Jahr bis auf Platz 16 der Rangliste abgerutscht und gehörte im Londoner Alexandra Palace nicht zu den Favoriten.

Doch der als ewiger Selbstzweifler bekannte 48-Jährige behielt diesmal trotz eines schwachen Beginns eine innere Spannung und traf nach Belieben. Immer, wenn das Match zu kippen drohte, fand "Barney" die passende Antwort. Das hatte dem nfmaligen Weltmeister selbst in den Niederlanden niemand zugetraut. "Manchmal denke ich, dass ich in meinem eigenen Land mehr Anerkennung verdient hätte", meinte van Barneveld.

"Eier aus Stahl"

Mit dieser geizte Adrian Lewis, zweimaliger Weltmeister und möglicher Halbfinalgegner van Barnevelds, via Twitter nicht: "Um eins klarzustellen: Raymond hat Eier aus Stahl." Der 4:3-Krimi bescherte dem übertragenden TV-Sender Sport1 bereits im Achtelfinale zur späten Stunde in der Spitze mehr als eine Million Zuschauer.

Für van Barneveld hat das Jahr unabhängig vom Halbfinalverlauf ein versöhnliches Ende gefunden – auf privater Ebene. Zwei Tage vor seinem Triumph hatte seine Tochter einen Sohn zur Welt gebracht. Trotz großer Sehnsucht will der stolze Opa sein erstes Enkelkind vor dem Finale aber nicht sehen, er schlägt selbstbewusste Töne an: "Ich will dieses Turnier gewinnen."

Das war auch das Ziel van Gerwens gewesen. "Ich hätte alle anderen Titel für diesen eingetauscht", sagte der 26-Jährige, der in den vergangenen Monaten alle wichtigen Turniere gewonnen hatte. Mit dem WM-Triumph nach 2014 wurde es aber nichts.

Nach einem 3:2-Auftaktsieg gegen den deutschen Qualifikanten René Eidams war "Mighty Mike" beim 4:0 in seinem Zweitrundenmatch gegen den Engländer Darren Webster auf Touren gekommen und hatte den höchsten Durchschnittspunktewert der WM-Geschichte nur ganz knapp verpasst. Auch gegen van Barneveld kam er gut ins Match, ließ sich dann aber den Schneid abkaufen.

Alles offen

Damit scheint das Turnier gänzlich offen. Neben van Barneveld präsentierte sich Titelverteidiger Gary Anderson bei seinen bisherigen drei Auftritten stark, gab insgesamt erst einen Satz ab. Lewis hat bislang sogar eine komplett weiße Weste. Beide wurden bislang aber nicht ernsthaft gefordert.

Verunsichert wirkte dagegen Taylor. Bis zur 2. Runde hatte der 16-malige Weltmeister enttäuscht und eher von den Schwächen der Gegners profitiert. Doch wie das Beispiel van Barneveld zeigt, kann bei dieser WM vieles passieren. (sid/red, 30.12. 2015)