Polizisten haben in der Nacht den Münchner Hauptbahnhof abgeriegelt.

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Der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä spricht von fünf bis sieben Attentätern.

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Schwer bewaffnete Polizisten patrouillieren am Münchner Hauptbahnhof.

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Ein Neujahrsvormittag am Münchner Hauptbahnhof: Die einen stecken noch in der Silvesterpartynacht fest, die anderen sind schon ganz im neuen Jahr angekommen und ziehen das Rollköfferchen Richtung Gleise. Die Züge fahren pünktlich. Nur die Gegenwart der patrouillierenden Polizisten sind Zeichen dafür, dass diese Silvesternacht in München keine gewöhnliche war.

Nach einer Terrorwarnung befreundeter Geheimdienste waren am Silvesterabend sowohl der Münchner Hauptbahnhof als auch der Bahnhof Pasing geräumt worden.

Warnung aus Frankreich

Es gab einen "sehr konkreten Hinweis", sagte der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä in einer eilig anberaumten Pressekonferenz am Freitag: Am Silvesterabend sei um 19.40 Uhr eine Terrorwarnung eingelangt – wohl vom französischen Geheimdienst: Fünf bis sieben Terroristen wollten sich demnach mutmaßlich am Hauptbahnhof und am Bahnhof München-Pasing, der immerhin der drittgrößte in ganz Bayern ist, in die Luft sprengen, jeweils zu zweit. Das Ganze sollte um Mitternacht geschehen, so Andrä.

Die Terrorpläne werden dem "Islamischen Staat" (IS) zugeschrieben. Es blieb nicht viel Zeit, gerade einmal vier Stunden. Beide Bahnhöfe wurden schnellstens evakuiert, der Zugverkehr umgeleitet, viele S-Bahnen fuhren nicht. 550 Polizisten aus ganz Bayern waren im Einsatz. Gefasst wurde aber niemand.

Am Neujahrstag gegen 3.30 Uhr wurden die betroffenen Bahnhöfe dann wieder geöffnet, die Züge konnten weiterrollen. Das ist das bisher gute und gleichwohl ernüchternde Ergebnis dieser dramatischen Stunden.

"Die intensiven Ermittlungs- und Kontrollmaßnahmen", so Andrä, "haben zu keinerlei Konkretisierung der Informationen geführt".

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte noch in der Nacht, die Einschätzung der Gefährdung sei vergleichbar mit jener unmittelbar vor dem Fußballspiel in Hannover gewesen, das im November nach den Paris-Anschlägen kurzfristig abgesagt worden war. Wurde ein womöglich furchtbarer Anschlag vereitelt? Keiner weiß am 1. Jänner 2016 Genaueres dazu zu sagen, die Polizei gibt nur spärliche Informationen.

Die "fünf bis sieben" mutmaßlichen Terroristen stammen demnach aus dem Irak und aus Syrien. "Etwa die Hälfte von ihnen" seien mit Namen und anderen Personendaten identifizierbar, so Andrä. Und: "Ob es diese Personen überhaupt gibt, wissen wir nicht." Viele Fragen bleiben vorerst offen.

Die vorhandenen Angaben zu den Personen seien allerdings "so konkret, dass wir Personen identifizieren könnten", meinte Andrä. Nun würden alle Datenbestände durchforstet.

Einer der Hinweise stammt nach Medienberichten aus dem Irak. Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) habe den Hinweisgeber dort selbst befragen können, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".

Fast gleichzeitig gab Herrmann vorerst Entwarnung: "Die Lage hat sich wieder etwas entspannt, nachdem heute Nacht Gott sei Dank kein Anschlag verübt wurde. Wir haben in etwa wieder die Lage wie zuvor."

In der Stadt selbst und auf die vielen Silvesterpartys haben die Terrorwarnungen und Bahnhofssperrungen offenbar kaum Auswirkungen gehabt. "Ich sehe, dass ausgiebig gefeiert wurde", kommentierte Andrä.

Information via Facebook

Es habe zwar besorgte Anrufe gegeben, viele Bürger hätten sich über die Facebook- und Twitter-Accounts der Polizei informiert. Abgesagt oder unterbrochen wurde aber nichts.

Auch bei dem alternativen Tollwood-Festival auf der Theresienwiese feierten Tausende. Die Polizei beschränkte ihre Aktionen auf die zwei Bahnhöfe – "chirurgische Eingriffe" seien das laut dem Polizeipräsidenten gewesen.

Obwohl alles ruhig abgelaufen ist und keine Panik aufkam, kursierten in München am Freitag Mutmaßungen, Gerüchte und Spekulationen. Bestätigt wurde von der Polizei, dass es schon eine Woche zuvor konkrete Hinweise auf eine Terrorbedrohung gegeben hatte – offenbar durch den US-Geheimdienst. Der Polizeipräsident machte klar: Ohne die erste Warnung wäre die zweite anders beurteilt worden, und es hätte den Terroralarm in der Silvesternacht nicht gegeben.

Berichten, dass kürzlich in München zwei "IS-Gefährder" festgenommen worden seien, widersprach die Polizei. Den Münchnern empfahl Andrä: "Die Leute sollen jetzt weiter so leben, wie sie es gewohnt sind, und ihrem Vergnügen nachgehen." (Patrick Guyton aus München, 1.1.2016)