Herr Prevc rückt die Dinge ins rechte Licht.

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Garmisch-Partenkirchen – Die deutsche Zweischanzentournee wäre eine Beute von Peter Prevc geworden. Der Slowene, der in Oberstdorf noch vom Deutschen Severin Freund, vom Oberösterreicher Michael Hayböck und vor allem vom Wind bezwungen worden war, siegte am Freitag in Garmisch-Partenkirchen vor dem Norweger Kenneth Gangnes (+12,5 Punkte) und Freund. Da eine deutsche Zweischanzentournee zuwenig international und zu kurz, also schlicht sinnlos wäre, werden sich Prevc und Freund weiter duellieren. In Innsbruck, in Bischofshofen, bis zum Ende der deutsch-österreichischen Vierschanzentournee.

Prevc, als Topfavorit in die Tournee gegangen, feierte seinen vierten Saisonsieg. Er führt insgesamt mit 8,6 Punkten Vorsprung auf Freund, man kann nicht sagen, dass das nichts ist, aber viel ist es nicht. Hayböck, der Fünfte vom Freitag, ist Gesamtdritter, 21,1 Punkte hinter Prevc, auch das ist keine Welt. "Ich bin nicht unzufrieden", sagte der 24-Jährige. Die Österreicher fielen am Neujahrstag aus einigen, aber nicht aus allen Wolken. Der achte ÖSV-Tourneesieg en suite ist jedenfalls nicht nähergerückt. Neben Hayböck schaffte es in Garmisch auch Tournee-Titelverteidiger Stefan Kraft unter die besten Zehn, er wurde Neunter, ist insgesamt Siebenter. Und ansonsten?

ÖSV-Dominanz vorbei

Ansonsten ist es generell vorbei mit der ÖSV-Lufthoheit, das lässt sich sagen. Österreichs Skispringerei hat an der Spitze entscheidend an Breite verloren. Der nordische Verbandsdirektor Ernst Vettori sagte in Garmisch: "Auf unseren Heimschanzen wollen wir zeigen, was wir draufhaben." Doch das klingt schon ein wenig nach Durchhalteparole. Aus österreichischer Sicht kommen, in welcher Reihenfolge auch immer, zuerst Hayböck und Kraft – und dann kommt lange nichts.

Gregor Schlierenzauer, in Oberstdorf noch unlucky, erreichte in Garmisch als Lucky Loser den Finaldurchgang. Der 25-Jährige, der dann 21. wurde, hat derzeit aber kaum eine größere Kragenweite als Manuel Fettner, der unmittelbar hinter ihm landete. Auch Manuel Poppinger, der wie in Oberstdorf das Finale verpasste, sucht seine Form. Vielleicht hat es sich gerächt, dass die Österreicher im Herbst kein einziges Mal auf dem Partenkirchener Gudiberg gesprungen waren. Ein geplantes Training fiel widrigen Windverhältnissen zum Opfer.

Nicht angefreundet

So konnte sich auch Hayböck nicht mit jener Schanze anfreunden, die ihm "am wenigsten liegt", weil sie "08/15" sei und "gar nichts Besonderes" habe. Diesbezüglich war etwa Freund im Vorteil, der im Herbst hier überlegen deutscher Meister wurde. Im Neujahrsspringen war er nie über einen siebenten Platz hinausgekommen – bis Freitag.

Die Zeit könnte tatsächlich reif sein für das Ende der ÖSV-Siegesserie bei der Tournee. Freund könnte der erste deutsche Gesamtsieg seit Sven Hannawald werden, der 2001/2002 mit vier Erfolgen den historischen Grand Slam geschafft hatte. Der 27-Jährige aus Freyung in Niederbayern wäre der 17. deutsche Gewinner insgesamt. Damit würden die Deutschen, denen hier freilich auch elf DDR-Tourneesiege zufallen, die ebenfalls 16 Mal erfolgreichen Österreicher in einer imaginären Nationenwertung überflügeln. Peter Prevc wiederum, 23 Jahre alt und aus Kranj, könnte Primoz Peterka nachfolgen, der 1997 für den einzigen slowenischen Tournee-Gesamtsieg sorgte.

Österreich muss auf Kraft und Hayböck bauen. Doch ist die Verfassung der Zimmerkollegen nicht so gut wie im Vorjahr, da sie als Erster und Zweiter die Tournee dominierten und für Tagessiege in Oberstdorf (Kraft) und Bischofshofen (Hayböck) gut waren. Bleibt die Hoffnung, dass sich Schlierenzauer wieder erfängt. "Wie lange es dauert, steht in den Sternen", sagt der zweimalige Tourneesieger. Er will "Schritt für Schritt gehen", will "in Ruhe weiterarbeiten", denn: "Was bleibt mir auch anderes übrig?"

Die Tournee setzt sich quasi nahtlos fort, in Innsbruck steigt am Samstag die Quali fürs Bergisel-Springen am Sonntag (je 14 Uhr). Hernach würde der Sieger einer Dreischanzentournee feststehen, wenn es denn eine gäbe. (Fritz Neumann aus Garmisch-Partenkirchen, 1.1.2016)