Tritt für nachhaltige Konzepte ein: Werner Lampert. Bio-Soja aus Lateinamerika gehört nicht dazu.

Foto: W.Lampert GesmbH

Europa, und Österreich ganz besonders, müsse beginnen, auf eine Ernährungssouveränität hinzuarbeiten. Denn diese werde spätestens in 30, 40 Jahren essenziell. Leistungssteigerung durch Düngemittel, Pestizide oder Monokulturen seien da kontraproduktiv.

STANDARD: Regionale Produkte sind immer mehr gefragt. Die Konsumenten sagen in Umfragen, dass sie regional kaufen möchten. Ist regional das neue Bio?

Lampert: Ich bin überzeugt, dass Produkte aus biologischer Landwirtschaft weiter eine Zukunft haben und dass es in diesem Bereich keine konkurrenzierenden Modeströmungen gibt. Allerdings muss man "Bio" aus einer Art freischwimmenden Ebene herausnehmen. Man muss nachschärfen: Was kann man von einer nachhaltigen Landwirtschaft erwarten? – Und da kommt die Regionalität ins Spiel. Dass wir beispielsweise biologisches Soja aus Lateinamerika beziehen – das ist zwar möglich, aber sicher nicht nachhaltig. Der Stellenwert von Regionalität muss sich beispielsweise auch auf die Futtermittelherkunft beziehen.

STANDARD: Regionalität wird also die wichtigste Eigenschaft von Bio?

Lampert: Wenn man es genauer ansieht, ist Regionalität ein großer Wurf. Das heißt, in einer Region zu arbeiten. Aus der Region zu beziehen, was man braucht. Für den Bauern: das, was er selber am Hof nicht hat, aus der Region zu beziehen. Regionalität heißt also, dass dort gearbeitet und gelebt wird. Dass es dort die Arbeitsplätze gibt und die Wertschöpfung.

STANDARD: Regionalität als Gegenentwurf zu einer industriell ausgerichteten Landwirtschaft?

Lampert: Ja. Da wird nicht für anonyme Märkte gearbeitet. In der Region arbeiten konkrete Menschen für konkrete Märkte. Das ist meine Vorstellung. In einer biologischen Landwirtschaft kauft man die Futtermittel nicht in Südamerika zu – auch nicht, wenn sie nachvollziehbar biologisch oder nicht gentechnisch verändert hergestellt wurden.

STANDARD: Das ist aber doch eine Abkehr von den Exportambitionen der traditionellen Landwirtschaft.

Lampert: Zur Exportwirtschaft: Rund die Hälfte der in Österreich produzierten Milch geht in den Export. Für den Weltmarkt zu arbeiten heißt aber, den Preis nicht mitgestalten zu können, heißt oft, den schlechtesten Preis zu erzielen. Denn der Weltmarktpreis für Milch ist abhängig vom Wetter in Australien und von den Beziehungen zwischen Neuseeland und China.

STANDARD: Nur für den Heimmarkt oder bestenfalls für Europa zu produzieren geht mit den riesigen Kapazitäten, die auch in Österreich aufgebaut worden sind, gar nicht.

Lampert: Das ist ein Fehler. Diese Tendenz kommt daher, dass man vor 30, 40 Jahren knapp an Lebensmittel war. Deshalb dieser Drang, immer mehr zu produzieren. Doch diese konventionelle Lebensmittelerzeugung ist auf so vielen Ebenen abhängig: abhängig von der Erdölindustrie, abhängig von den Herstellern von Pestiziden und Düngemitteln. Abhängig von Saatgut. Und dazu kommt noch die Exportabhängigkeit von den Verbrauchern irgendwo in der Welt.

STANDARD: Aber alle Prognosen sagen das Gegenteil. Dass die Nachfrage zunimmt ...

Lampert: ... ich weiß. Aber nicht die Leistungssteigerung durch Düngemittel, Pestizide und Monokulturen wird die Menschheit ernähren. Das führt nur zur Auslaugung der Böden und macht unsere Lebensgrundlage kaputt. Das Dringendste ist, die Qualität der Böden zu steigern, denn nur fruchtbare Böden werden uns künftig ernähren können. In den Prognosen wird auch gesagt, dass bis Ende des Jahrhunderts 200 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil sie wegen des Klimawandels in ihrer Heimat den Boden nicht mehr bestellen können. Wo werden diese Menschen ihre Nahrung beziehen?

STANDARD: Von Europa mit seinen guten landwirtschaftlichen Böden?

Lampert: Dieses Europa hat eine instabile Abhängigkeit von der Nachfrage aus dem Export entwickelt und geht mit diesen agrarischen Böden teilweise unverantwortlich um. Es wäre wichtig, dass wir eine Ernährungssouveränität schaffen, die wir in 30, 40 Jahren brauchen werden. Und das geht nach meiner Vorstellung nur mit biologisch nachhaltigen, regionalen Konzepten.

STANDARD: Aber sollte nicht der, der über die besseren Voraussetzungen für agrarische Produktion verfügt – so wie Europa -, mehr produzieren?

Lampert: Kommen wir zur Milch zurück: Noch einmal, der österreichische Milchpreis wird nicht in Österreich oder in der EU gemacht, sondern er entsteht aus dem Verhältnis zwischen Neuseeland und Australien mit China. So einfach ist das. Für den Weltmarkt zu produzieren heißt, nicht mehr selbstbestimmt zu produzieren.

STANDARD: Wie ist es bei der Fleischherstellung?

Lampert: Die ist total abhängig von ausländischen Futtermitteln. Das ist eine unglaubliche Abhängigkeit. Wir haben ja nur deshalb Soja aus Südamerika, weil wir die Rodungen des Urwalds zulassen. Und der Regenwald ist unser aller Lunge! Es ist eine zunehmende Versklavung in den Soja-Anbaugebieten zu beobachten. Es gibt eine Pestizidproblematik, die für die Menschen bedrohlich wird. Der Fleischkonsum der Industriestaaten ist für all dies verantwortlich. Eigentlich unglaublich. Da sehe ich nur regionale Konzepte, die dem entgegenwirken könnten.

STANDARD: Aber auch Bioprodukte sind ein Exportschlager.

Lampert: Ja, Bioprodukte verkaufen sich gut. Die Fleisch- und Milchpreise, die man da erlösen kann, sind viel besser, und das treibt auch die Preise im Inland. Das hängt damit zusammen, dass Deutschland für den biologischen Landbau sehr wenig getan hat und in der ganzen Welt Bioprodukte einkaufen muss, um die Konsumentennachfrage zu bedienen.

STANDARD: Das heißt, Bioprodukte brauchen künftig mehr regionale Standards?

Lampert: Ich denke, dass Lebensmittel in 30, 40 Jahren knapp werden, weltweit, und dass wir mit einem regionalen, biologisch ausgerichteten Konzept schon heute gegensteuern sollten. Das ist eine anspruchsvolle und facettenreiche Aufgabe. (Johanna Ruzicka, 3.1.2016)