Verfahren beschleunigen, alles computerisieren: Walchshofer vor dem Athener Justizministerium.

Foto: Tina Pfäffle

Er mag Athen, auch wenn es hier und da ein bisschen schäbig geworden ist. Die kleinen Ecken mit den Cafés und den Gummibäumen, die sich immer irgendwo in den grauen Häuserfluchten auftun. Die Tavernentische mit den Fleischspießen, an denen die Griechen sitzen, Krise hin oder her. Sie wollen nicht in ihren vier Wänden bleiben und vor sich hin brüten, sie müssen hinaus und reden. So ist eben der Süden.

"Es ist ein Geschenk", sagt Günther Walchshofer, der Steirer. "Die Zeit für Reformen in Griechenland ist so gut wie nie. Die Leute hier erwarten das", sagt er und erklärt: "Regierung und Partei sind für Veränderungen gewählt worden." Das ist ein mutiger Satz nach diesem turbulenten Jahr, in dem die Griechen fast alles gesehen haben: den Sieg der radikalen Linken, die Bankenschließungen und den Beinahe-Hinauswurf aus der Eurozone. Schließlich die Kapitulation vor den EU-Regierungen, die Griechenland finanzieren.

Walchshofer glaubt an die Gunst der Stunde. Der Gerichtsvorsteher aus Fürstenfeld ist nach Athen geschickt worden, um den Justizapparat zu reformieren. Ein Büro im Justizministerium an der Mesogeion-Avenue im Innenstadtviertel Ambelokipi hat er bekommen und einen Rechtsanwalt als Assistenten. Sehr freundlich sei er aufgenommen worden, erzählt der 56-jährige Richter.

Walchshofers Reformliste ist noch mit der bürgerlichen Vorgängerregierung unter Premier Antonis Samaras ausgehandelt worden. Es ist ein Vertrag zwischen der EU-Kommission und dem Justizministerium in Wien. Die Griechen hatten sich Österreich als Partner für die Modernisierung ihrer Gerichte ausgesucht. Brüssel zahlt, und nicht wenig: 1,1 Millionen Euro sind für das Justizprojekt festgesetzt, knapp zwei Jahre wird es laufen. Es gilt als eine der Schlüsselreformen für Griechenland und ist ein Beispiel dafür, wie weit die Gläubiger in das Land hineinregieren. "Die Akzeptanz ist sehr gut", sagt Günther Walchshofer trotzdem.

Politisch sensibel

Es ist nicht das erste Mal, dass er sich karenzieren lässt und im Ausland etwas antreibt. Walchshofer war im Auftrag der EU schon in Montenegro und in Rumänien. Die Aufgabe in Griechenland aber ist umfangreich und politisch sensibel. Die Gläubigerstaaten in der Eurogruppe haben ein Auge auf die Fortschritte, die der steirische Richter macht – ebenso wie die "Task Force" aus Brüssel, das Beraterteam von der EU-Kommission, mittlerweile unbenannt in "Unterstützungsservice für Strukturreformen", weil die Athener Koalition besonders allergisch auf die Bevormundung aus Europa reagierte.

Seit 1. Jänner gilt eine neue Zivilprozessordnung in Griechenland. Es war eine der Forderungen, welche die Kreditgeber vergangenen Sommer ultimativ verlangt hatten als Vorleistung für den Beginn der Geldverhandlungen. Im Eilverfahren und ohne ausreichendes Studium der Gesetzesvorlage mussten die Parlamentsabgeordneten die mehrere Hundert Seiten lange Neufassung der Prozessordnung annehmen. Das Ergebnis ist fragwürdig. Zwar dürften Geldforderungen unter Privatleuten, Streitigkeiten um Verkehrsunfälle oder Darlehensklagen nun erheblich schneller abgewickelt werden. Die Fristen hierfür sind streng geworden: Binnen 150 Tagen muss ein Gerichtsakt abgeschlossen sein. Doch die Verfahren werden weitgehend nur noch schriftlich geführt. Zeugen werden nicht mehr angehört.

Umfangreicher Katalog

Verfahren beschleunigen und Rückstände abbauen helfen soll nun der Experte aus Österreich, etwa durch die Einführung eines elektronischen Zahlungsbefehls; die Justizstrukturen durchleuchten mit ihrer zum Teil enormen Zahl an Gerichtshöfen und Vorschläge für eine einheitliche Computerisierung der Verfahrenswege machen; ein Instrument für Gerichtsstatistiken in Griechenland liefern, die es so jetzt noch gar nicht gibt; außergerichtliche Mediationsversuche verpflichtend machen, was von der Anwaltsbranche, die um ihre profitablen Aufträge fürchtet, nicht unbedingt gern gesehen wird.

Wiedereingliederung von Haftentlassenen in den Arbeitsmarkt, das steht auch auf der Reformliste, was angesichts der Massenarbeitslosigkeit von 27 Prozent einigermaßen ehrgeizig ist.

Vieles von dem, was der Österreicher vorschlägt, muss durch Gremien, in Gesetzesform gebracht und dann vom Parlament auch angenommen werden. "Diese Prozesse dauern lange, und sie sind schwierig, aber sie gehören angestoßen", sagt Walchshofer. Ein Stammlokal hat er mittlerweile auch gefunden: Willy's Musiccafé in Ambelokipi. Dort hat er schon am Piano gejammt mit Teodoros, dem Café-Besitzer. (Markus Bernath aus Athen, 3.1.2016)