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Fabiola Gianotti ist ab sofort Generaldirektorin des Cern in Genf.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Es sieht ganz so aus, als ob die Frauen auch in der Wissenschaft langsam, aber sicher die letzten Bastionen erobern und für die großen Durchbrüche sorgen. Die Biochemikerinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna revolutionierten mit ihrer Entdeckung des Crispr/Cas-Systems die Biotechnologie. Und seit Jahresbeginn leitet mit Fabiola Gianotti erstmals eine Frau die Europäische Organisation für Teilchenphysik Cern.

Die heute 55-Jährige steht damit freilich nicht zum ersten Mal im Rampenlicht der wissenschaftlichen Weltöffentlichkeit: Als Sprecherin des Atlas-Experiments am Large Hadron Collider (LHC) des Cern gab sie am 4. Juli 2012 in Genf die Entdeckung des Higgs-Teilchens bekannt. Das Time-Magazin wählte sie daraufhin zu einer der fünf wichtigsten Personen des Jahres, Forbes reihte sie 2013 unter die hundert mächtigsten Frauen der Welt.

Dabei war lange nicht klar, welchen beruflichen Weg die gebürtige Römerin einschlagen würde. Die Tochter eines Geologen und einer Mutter, die Literatur und Musik studiert hatte, interessierte sich zunächst auch für verschiedene Geisteswissenschaften. Zudem war sie eine extrem begabte Pianistin. Die Entscheidung fiel letztlich zugunsten der Physik, da diese "die großen Fragen beantworten kann", wie Gianotti später meinte. Musik blieb auf höchstem Niveau praktiziertes Hobby.

Bilderbuchkarriere

Noch vor dem Abschluss ihres Studiums begann sie 1987 am Cern zu arbeiten, zwei Jahre später promovierte sie an der Uni Mailand in experimenteller Teilchenphysik. Das Experimentelle war ihr deshalb wichtig, da sie auch mit den Händen arbeiten wollte. Danach war Gianotti an etlichen Cern-Projekten sowohl bei der Konstruktion von Geräten als auch bei der Datenanalyse und der Software-Entwicklung beteiligt.

2009 avancierte sie zur Leiterin des Altas-Projekts und von rund 3000 Kollegen – eine Bilderbuchkarriere, die 2012 mit der Entdeckung des Higgs-Bosons ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Aufgrund ihrer wissenschaftlichen Leistungen und ihrer Fähigkeit, ein internationales Team zu führen, folgte dann der finale Karrieresprung, denn höher geht es nicht mehr: Ende 2014 wurde die vielfach ausgezeichnete Forscherin zur Nachfolgerin von Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer gewählt, mit dem sie sich 2015 die Cern-Leitung teilte. Ab sofort ist Gianotti für zumindest fünf Jahre lang alleinige Chefin des größten und spannendsten Labors der Welt. (Klaus Taschwer, 1.1.2016)