Reno – Die Entdeckung epigenetischer Phänomene – also von Mechanismen, die nicht in die DNA eingeschrieben sind, aber die Gene regulieren – hat seit gut 20 Jahren unser Verständnis der Genetik nachhaltig erweitert. Eine große Frage ist indes, ob und wie epigenetische Modifikationen, die meist auf Umwelteinflüsse zurückgehen, vererbt werden. Zwei US-Forschergruppen berichten nun im Fachblatt "Science", wie das funktioniert – und zwar anhand der Auswirkungen der väterlichen Ernährung auf dessen Sperma und die damit gezeugten Nachkommen. Sehr fettreiches Fressen erwies sich bei diesen Untersuchungen mit Labormäusen für den Stoffwechsel der Jungtiere besonders schlecht. Die fettreiche Diät veränderte die Ribonukleinsäure (RNA) im Sperma der Mäuseväter, konkret passierte die Veränderung in den Nebenhoden.

Das Team um Qi Chen von der University of Nevada in Reno (USA) fütterte eine Gruppe von Mäusemännchen sechs Monate lang mit einem Fettanteil von 60 Prozent. In einer Kontrollgruppe enthielt das Essen nur zehn Prozent Fett. Mit dem Sperma der beiden Gruppen befruchteten die Wissenschafter Eizellen. Beim Heranwachsen erhielt der Nachwuchs aus beiden Vätergruppen dieselbe Nahrungsmenge, und bei der Gewichtszunahme zeigten sich keine Unterschiede.

Stoffwechselveränderungen

Ab der siebenten Lebenswoche enthüllten jedoch spezielle Tests, dass die Mäuse der fettreich ernährten Väter eine beeinträchtigte Glukosetoleranz und eine Insulinresistenz aufwiesen. Beide Stoffwechselveränderungen treten oft als Vorstufe von Diabetes auf. Die Störungen verstärkten sich noch bis zur 15. Lebenswoche.

Chen und Kollegen fanden nach weiteren Analysen Unterschiede bei der Ribonukleinsäure (RNA) im Sperma der Mäusevätergruppen. Die RNA überträgt unter anderem die im Erbgut gespeicherte Information an die Proteinfabriken der Körperzellen. Sie reguliert aber auch Gene.

Die Forscher identifizierten in einem weiteren Experiment kurze sogenannte tsRNA-Stücke als Träger der Information über das Essverhalten des Vaters. Diese Information führte bei den Kindern der fettreich ernährten Väter unter anderem dazu, dass Gene für den Stoffwechsel etwa von Zucker und anderen Kohlenhydraten seltener ausgelesen wurden.

Ein Team um Oliver J. Rando von der University of Massachusetts Medical School in Worcester (USA) kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Wissenschafter hatten eine Gruppe von Mäusen mit 19 Prozent, eine andere Gruppe mit nur zehn Prozent Proteinen gefüttert. Das Sperma von Mäusen mit proteinarmer Nahrung hatte einen deutlich erhöhten Anteil an dem Molekül tRNA-Gly-GCC, das eine Untergruppe von Genen unterdrückt. Eines dieser Gene sorgt mit anderen dafür, dass embryonale Stammzellen sich zu den unterschiedlichsten Zelltypen entwickeln können.

Epigenetische Vererbung auch beim Menschen

Rando und Kollegen fanden auch heraus, wo diese RNA-Veränderung geschieht: im Nebenhoden. Dort reifen die Spermien allmählich heran. Während die unreifen Spermien noch keine RNA-Veränderungen aufweisen, zeigen sich diese jedoch bei den reifen Spermien.

Erst kürzlich hat eine Studie der Universität Kopenhagen an Menschen gezeigt, dass die Anfälligkeit für Übergewicht über das Sperma an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Auch in diesem Fall fanden die Forscher um Ida Donkin epigenetische Veränderungen in Spermien. Sie betrafen die Regulierung von Genen, die die Gehirnentwicklung und den Appetit steuern ("Cell Metabolism"). (tasch, APA, 1.1.2016)