London – Britischen Soldaten droht Strafverfolgung wegen des Vorwurfs des Totschlags und der Folter im Irak-Krieg. Die vom britischen Verteidigungsministerium eingesetzte Untersuchungseinheit Iraq Historic Allegations Team (IHAT) prüfe "schwerwiegende Vorwürfe" gegen Soldaten, darunter wegen Totschlags, sagte IHAT-Chef Mark Warwick der Zeitung "The Independent" (Samstag-Ausgabe).

Er gehe davon aus, dass es in einigen Fällen genügend Beweise gebe, um die Militärangehörigen vor die zuständige Strafverfolgungsbehörde SPA zu stellen. "Wir müssen mit der SPA beraten, ob es sich dabei um mögliche Kriegsverbrechen handelt", sagte der frühere Polizeiermittler Warwick weiter.

Ministerium nimmt Vorwürfe "extrem ernst"

Das Verteidigungsministerium in London erklärte, es nehme die Vorwürfe "extrem ernst". Zugleich bekräftigte es, die "überwiegende Mehrheit" der britischen Soldaten im Einsatz verhalte sich "professionell und in Einklang mit dem Gesetz". Im Laufe der Untersuchungen von IHAT wurden bisher rund 1.500 mutmaßliche Opfer oder Zeugen von Misshandlungen angehört. In 280 Fällen geht es um außergesetzliche Tötungen.

Einer der bekanntesten Fälle ist der des irakischen Hotelrezeptionisten Baha Mussa, der Ende 2003 gestorben war, nachdem britische Soldaten ihn nach seiner Festnahme im südirakischen Basra geschlagen hatten. Der Vater von zwei Kindern starb 36 Stunden nach seiner Festnahme. Zu seinem Tod führten neben den Misshandlungen und Verletzungen laut der Untersuchung auch extreme Hitze sowie Wassermangel.

Prüfung dauert noch bis 2019

Ursprünglich hatte IHAT seine Arbeit im Jahr 2016 abschließen wollen. Wegen der Vielzahl der Fälle könnte sich dies nun bis 2019 hinziehen, sagte Warwick. Bis 2019 ist die Finanzierung der Untersuchungseinheit gesichert.

Menschenrechtsaktivisten kritisierten, IHAT bearbeite die Vorwürfe gegen Soldaten viel zu langsam. "Die unglaubliche Langsamkeit (...) ist vollkommen inakzeptabel", sagte Carla Ferstman von der Organisation Redress dem "Independent". Rund 120.000 britische Soldaten waren während des Irak-Konflikts im Einsatz. Die Kampftruppen wurden im Juli 2009 abgezogen, der Rest der Armee im Mai 2011. (APA, 2.1.2016)