
Automatisch glücklicher, das zeigen nun Forscher, macht ein neuer Job nicht.
Zumindest jeder dritte Arbeitnehmer hat laut einer globalen Studie der Unternehmensberatung Hay Group innerlich bereits gekündigt. Reizvoll erscheint der Aufbruch zu neuen beruflichen Ufern. Schließlich soll einem, oder einer, die Arbeit doch Spaß machen? Leidenschaft wecken?
Grenzenlose Karriere?
Geht es nach der einschlägigen Fachliteratur, liegen Jobwechsel im Trend: Jene, die die nötigen Qualifikationen mitbrächten (Stichwort "Employability"), würden vielfältige Möglichkeiten vorfinden. Neue Karrieren seien grenzenlos.
Karriereratgeber und -magazine liefern die passend inspirierenden Geschichten, über Menschen, die ihre alte Position aufgeben – und in der neuen die gewünschte Befreiung erreichen.
Aber wechseln Menschen heutzutage tatsächlich öfter den Job? Und verbessert sich ihre Situation dadurch merklich?
Wechselbereitschaft nicht höher
Diesen Fragen ging ein Team von Wirtschaftswissenschaftern nach, indem sie Daten von 20.000 Personen auswerteten, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zwischen 1984 und 2013 für das Sozioökonomische Panel erheben ließ.
Das überraschende Ergebnis der Studie: "Es gibt keinen linearen Trend zu mehr Wechseln, wie in der Fachliteratur geäußert. Die Vermutungen zum Thema 'neue Arbeitswelt' treffen überhaupt nicht zu", sagt Thomas Schneidhofer, Koautor und Professor für Personal und Management an der Privatuniversität Schloss Seeburg. "Die Wechselbereitschaft ist über die Jahre gleich geblieben, die Leute waren 2013 nicht eher bereit, ihren Job zu wechseln, als 1984."
Externe Wechsel
Dementsprechend hätten auch nicht mehr Wechsel stattgefunden. "Wenn, dann gibt es heute sogar weniger als früher", sagt der Wissenschafter. Der Grund: Organisationsinterne Wechsel dürften stärker abgenommen als externe Wechsel – von einer Organisation zu einer anderen – zugenommen haben. Die klassische Karriereleiter innerhalb des Unternehmens sei passé.
Ausschlaggebend für einen Jobwechsel, erklärt Schneidhofer, sei jedenfalls "ein großes Maß an Unzufriedenheit davor".
Honeymoon-Hangover-Effekt
Nachhaltig glücklich mache die berufliche Veränderung – entgegen herrschenden Annahmen – aber nicht, auch das konnten die Wissenschafter durch ihre Untersuchung zeigen.
"Es kommt hier zu einem sogenannten Honeymoon-Hangover-Effekt", sagt Schneidhofer. Das Zufriedenheitslevel steige zwar kurzfristig deutlich an, sinke aber recht schnell wieder ab – ähnlich einer Ernüchterung frischverheirateter Paare nach einigen Wochen Ehe. "Im Zeitverlauf pendelt sich die Zufriedenheit wieder auf dasselbe Niveau ein wie vor dem Jobwechsel." Egal ob in den 1990er-Jahren oder 2013, egal in welcher Ebene der Firmenhierarchie. Die Ursache für das schnelle Abflauen seien zu hohe Erwartungen im Vorfeld, auch befördert durch die Organisationen selbst, die den Bewerbern den Job möglichst schmackhaft machen wollen.
Einkommenszuwächse abgenommen
Für das Gehalt scheint sich ein Jobwechsel indes, wie die Ergebnisse zeigen, zwar nach wie vor auszuzahlen ("Jemand, der wechselt, steigt finanziell besser aus als jemand, der nicht wechselt"), aber nicht mehr so deutlich wie früher. "Die Einkommenszuwächse haben sukzessive abgenommen", sagt Schneidhofer.
Das widerspreche grundlegend den Vorstellungen von der "schönen neuen Arbeitswelt", in der lebenslanges Lernen, in Form diverser fachlicher Zusatzqualifikationen oder eines MBA, den Wert von Arbeitnehmern am Arbeitsmarkt steigert, so der Wissenschafter. (Lisa Breit, 12.1.2016)