Die politische und soziale Situation in Saudi-Arabien und dem Iran.

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Es gibt kaum einen Konflikt im Nahen Osten, der nicht irgendwie von der iranisch-saudischen Konkurrenz betroffen wäre: In den vergangenen Jahren hat sich diese immer mehr zu einem Kalten Krieg – zu dem auch heiße Stellvertreterkriege gehören – entwickelt. Manche Experten schließen nicht mehr aus, dass es in der Zukunft auch zumindest zu punktuellen direkten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten kommen könnte.

Dabei waren die letzten Monate des Jahres 2015 internationalen Versuchen gewidmet, die saudisch-iranischen Spannungen wenigstens einzuhegen: Dahinter stand die Einsicht, dass weder der Krieg in Syrien noch jener im Jemen von einer Seite alleine gewonnen beziehungsweise ein militärischer Sieg politisch umgesetzt werden kann.

Die in Wien begonnenen Syrien-Gespräche sollten Ende Jänner zu einer ersten Runde zwischen dem – vom Iran und von Russland unterstützten – syrischen Regime und der – von Saudi-Arabien und anderen unterstützten – syrischen Opposition führen. Ob das in der neuen Eiszeit funktionieren wird, ist fraglich. Im Jemen wurde soeben ein Waffenstillstand beendet, auch hier ist die Fortführung der Gespräche gefährdet, bei der sich der – von Saudi-Arabien unterstützte – jemenitische Präsident und die – vom Iran unterstützten – Rebellen gegenübersitzen sollten.

Auch in der politischen Blockade im Libanon, die dazu führt, dass sich das Parlament nicht auf einen Staatspräsidenten einigen kann, schien es zuletzt etwas Bewegung zu geben: Weder der Iran noch Saudi-Arabien haben ja ein Interesse daran, dass die verfeindeten politischen Blöcke – der eine geführt von der Syrien-freundlichen und vom Iran abhängigen schiitischen Hisbollah, der andere von Saudi-freundlichen, Syrien-feindlichen Sunniten – in eine echte Konfrontation am Boden abgleiten. Die Hinrichtung Nimrs beziehungsweise die Erstürmung der saudischen Botschaft in Teheran verhärtet nun die Fronten, wie ein Schlagabtausch zwischen den beiden Blockführern – dem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und dem Sunniten Saad Hariri – zeigt.

Besonders schlimm erwischt die iranisch-saudische Krise den Irak. Dort hat die Regierung des Schiiten Haidar al-Abadi zuletzt versucht, die eigenen irakischen Sunniten wieder zu versöhnen – und damit dem "Islamischen Staat" und anderen Radikalen Unterstützung zu entziehen. Dazu gehörte die Verbesserung der Beziehung zu Riad. Mitte Dezember wurde die saudi-arabische Botschaft wiedereröffnet, der Botschafter – der erste seit 1990 – traf erst vor wenigen Tagen in Bagdad ein.

Diese arabische Präsenz ist wichtig für den innenpolitischen Ausgleich – aber nun steigt der Druck der mächtigen schiitischen Milizen auf Abadi, sich klar zum Bündnis mit dem Iran zu bekennen. Angriffe auf sunnitische Moscheen gab es auch, und wenn es der Regierung nicht gelingt, diese Vorfälle in den Griff zu bekommen, könnte Riad reagieren.

Aufwind für Hardliner

Im Westen fragt man sich, ob im Iran die Hardliner durch die neue Fehde nicht so sehr Aufwind bekommen könnten, dass es ihnen noch gelingt, das verhasste Atomabkommen zu stoppen. Das muss nicht einmal mit dem Blick auf mögliche kriegerische Auseinandersetzungen sein: Das Urananreicherungsprogramm war ja stets auch ein Symbol für die technologische Überlegenheit der Islamischen Republik über die reichen Golfaraber, die sich alles kaufen, aber nichts selbst machen können. Für Riad wäre ein Ende der westlichen Normalisierung mit dem Iran kein ungünstiger Ausgang – kurz gedacht. Auf lange Sicht könnte es für die ganze Region eine neue Katastrophe sein. (Gudrun Harrer, 5.1.2016)