
Wolfgang Neubauer hat in der Buckligen Welt ein Keltenfest mitinitiiert.
STANDARD: Sie sind Wissenschafter des Jahres geworden, weil Österreichs Wissenschaftsjournalisten gemeint haben, dass Sie besonders verständlich über Ihre Arbeit berichten. War es Ihnen immer schon ein Anliegen, klare Worte über ihre Wissenschaft zu finden oder ist das erst mit den Jahren gewachsen?
Neubauer: Ich war immer schon überzeugt, dass man wissenschaftliche Inhalte so kommunizieren sollte, dass sie verstanden werden: Seit ich zurückdenken kann, eigentlich seit den Anfängen, als ich mit 15 erstmals an einer Grabung beteiligt war. Es hat sich also mit den Jahren eher gefestigt und verstärkt. Heute würde ich sogar sagen, dass Inhalte, die unverständlich sind, weil sich Wissenschafter bei der Beschreibung hinter sprachlichen Codes verstecken, fragwürdig sind.
STANDARD: Welche Rolle spielt Kommunikation insgesamt im Beruf eines Wissenschafters?
Neubauer: Als Archäologen machen wir viel Feldarbeit. Da ist schon Überzeugungsarbeit nötig – wir müssen ja dem Bauer klar machen, dass sich unter ihrem Acker Überreste einer vergangenen Kultur befinden. Und natürlich müssen wir auch Jurys überzeugen. Wenn keiner versteht, was wir machen, wer soll es dann gut finden und finanzieren? Und schließlich braucht es dazu auch die Öffentlichkeit, um allen klar zu machen, warum wir diese Forschungen machen. Kommunikation ist also der Alltag.
STANDARD: Archäologie kommt bei Lesern und Leserinnen gut an. Da lassen sich spannende Geschichten erzählen. Wie hilfreich sind Filmklischees wie Indiana Jones?
Neubauer: Indiana Jones ist eine Fantasiefigur, die es in der Realität nicht gibt. Aber eine Ausgrabung kann auch ohne Kino sehr spannend sein.
STANDARD: Zum Beispiel?
Neubauer: Wir haben 1992 begonnen, in Schwarzenbach in der Buckligen Welt eine Siedlung von Kelten ausgegraben – und gleichzeitig wieder aufgebaut. Danach hat sich die Region, der es davor nicht gut ging, wieder besser entwickelt. Wir haben ein alljährliches Keltenfest aus der Taufe gehoben, 2007 zur European Researchers Night sogar eine Celtic Night veranstaltet – ich habe dazu auch gekocht, insgesamt wurde Wissenschaft für Besucher erlebbar und essbar gemacht. Für mich ist das Wissenschaftskommunikation.
STANDARD: Trotz zahlreicher Grabungen wie dieser sind Sie aber auch durch Ihr Bemühen um Interdisziplinarität bekannt geworden. Wie kam es dazu?
Neubauer: Ich habe begonnen, die Archäologie und die Informatik zusammen zu führen. Wir haben Programme und Methoden entwickelt, um Funde lesbar zu machen, um von den Ausgrabung ausgehend, die Vergangenheit zu visualisieren. Inspiriert wohl durch einen Mathematiklehrer, der uns Schülern einst zeigte, wie man Rechner programmiert. Die Archäologie ist eine sehr breite Wissenschaft, wo man solche Fächer braucht, um ein vollständiges Bild von Entdeckungen zu erhalten. Fächer wie Anthropologie, Biologie, Zoologie, Geologie oder eben Informatik. Ein Krug, den man ausgräbt, wird noch interessanter, wenn man darin Spuren findet und die Untersuchungen auf Ess- und Trinkgewohnheiten schließen lassen.
STANDARD: Sie sind als Sohn von Österreichern in der Schweiz aufgewachsen, haben in Wien studiert. Wenn Sie einen Vergleich zwischen den beiden Ländern ziehen hinsichtlich der Grundlagenforschung, zu welchem Ergebnis kommen Sie?
Neubauer: Abgesehen davon, dass die Schweiz deutlich mehr Mittel für die Grundlagenforschung aufwendet: Hierzulande ist es sehr schwierig, interdisziplinäre Forschung durchzubringen. Wenn man bedenkt, was da an der ETH Zürich möglich ist, Da ist Österreich weit davon entfernt. Hierzulande fehlt es auch an der Infrastruktur, auch da ist die Schweiz viel besser ausgestattet.
STANDARD: Und was würden Sie sich für die österreichische Archäologie wünschen – einmal abgesehen von mehr Mitteln für interdisziplinäre Forschungen?
Neubauer: Einigkeit. Und einen konzentrierten Blick in die Zukunft. Archäologen haben einen Hang zum konservativen Denken – das ist vermutlich auch fachspezifisch. (Peter Illetschko, 7.1.2016)