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Wer alles macht, macht nichts mehr richtig. 2016 sollte man entscheiden was sinnvoll und absolut notwendig ist.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen, warnte der Philosoph George Santayana. In diesem Sinne könnte man fortfahren: Wer über die Zukunft nicht nachdenkt, ist verdammt, von ihr überrumpelt zu werden. Was im Jahr 2016 wichtig ist im Online-Publishing von "Instant Articles" bis zur Hoffnung Kreativität.

Instant – schnellere Websites

Google schickt langsamen Websites nur sehr ungern Traffic. Warum? Weil User dann Google weniger benutzen. Eine Sekunde, die der User auf eine langsame Website wartet, ist eine Sekunde, die der User nicht auf Google verbringt. Und zu warten bedeutet, dass sich andere Gedanken einschleichen und der User vielleicht etwas ganz anderes macht und aufhört zu googeln. Bei Facebook ist es genau das gleiche. User zu langsamen Webseiten zu schicken kostet Facebook und Google User – und damit Geld.

Deshalb arbeiten Facebook und Google am "jetzt"-Web. Das Web muss schnell sein, und das ultimative Ziel von schnell ist "in an instant". Google verfolgte lange Zeit einen iterativen Ansatz um das Web schneller zu machen, etwa mit Google Chrome, Prefetch- und Preconnect-Tags, HTTP/2. Publisher und Ad-Netzwerke arbeiteten hingegen intensiv dagegen – die Transfergröße einer Seite überstieg laut httparchive.org 2015 erstmals zwei Megabyte. Dieses Dilemma erkennend, beschließt Facebook 2015 mit "Instant Articles" die Verleger – einige sagen tödlich – zu umarmen. Google wiederum beschließt HTM5 mit AMP-HTML zu verstümmeln, um unmittelbares Laden von Webseiten zu ermöglichen.

"Ob?", "Wie", "Wie viel Aufwand?", "Wie viel bringt es?": Diese Fragen zu Instant-Technologien werden uns 2016 weiter begleiten.

Man in the Middle – Internetverbindung managen

Früher war alles einfach. Man setzt sich an einen Tisch, schaltet den Computer ein, verbindet sich mit dem Internet, surft ein Website mit dem Browser an und der Server gibt die Webpage zurück. Alle sind glücklich.

Jetzt ist man mit dem Smartphone immer online, oder nicht, oder nur ein bisschen. Wer kennt das nicht: Man ist online, fährt dann mit dem Zug durch den Tunnel, ist offline, danach wieder online, aber irgendwie viel langsamer als vorher. Wenn der Client sich nicht oder nicht ordentlich mit dem Server verbinden kann, ist man halt offline. Bisherige Lösung: So ist es halt, da kann man nichts machen. Doch man kann doch etwas machen. Man stelle sich einen "Man in the Middle" vor, also jemanden der zwischen Client und Server steht. Dieser Mittelsmann überwacht die Verbindung. Wenn sie gut ist, fordert er mehr vom Server, wenn sie schlecht ist, dann reagiert er mit Alternativen auf die Anfragen des Clients.

Das ist etwas neues, nicht Client, nicht Server. Es nennt sich "Service Worker" und wird vielleicht alles ändern. Zumindest werden wir 2016 beginnen, es herauszufinden.

Purge – Angebote entschlacken

Eine Firma die "alles richtig" gemacht hat, hat jetzt eine responsive Website mit Views für Desktop, Mobile und Tablet optimiert auf Pageviews, Conversion, Google Search und Social Shares. Sie hat eine oder mehrere native iPhone-Apps und eventuell eine Tablet-App sowie eine oder mehrere native Android-Apps. Diese Firma hat weiters einen oder mehrere Facebook-Kanäle, eine "Bewegtbildstrategie" (Youtube-Channel), einen Twitter-Kanal, einen auf Instagram, eine Präsenz auf Snapchat, WhatsApp und Pinterest. Und natürlich einen Unternehmensblog, einen oder mehrere Newsletter oder Email-Alert-Funktionen. Doch das war es noch nicht, denn 2016 kommen ja wie bereits erwähnt noch die Instant-Technologien dazu.

Sorry, aber das alles skaliert nicht. Wer alles macht, macht nichts mehr richtig. Es wurden jahrelang Kanäle und Technologien angesammelt. Es wird Zeit zu entscheiden was sinnvoll und absolut notwendig ist. Ja, es geht darum, das loswerden, was aufhält. Da braucht es individuelle Analysen und Entscheidungen. Was man aufgibt und was man behält wird bei jedem Unternehmen anders sein.

Divergenz – Mobil ist kein Desktop

Es ist eine Mobile-First-Welt. Seiten mit mehr als 50 Prozent mobiler Traffic sind normal, hat das Medium eine jüngere Zielgruppe, dann sind es bis zu 75 Prozent mobiler Traffic. Und das Wachstum geht ungebremst weiter.

Das Dilemma: Mit Desktop-Traffic verdienen Medien mehr Geld. Warum? Man kann argumentieren, dass einfach mehr Website-Real-Estate für Werbung zur Verfügung steht, dass die Werbung "aggressiver" (Flash-Banner) sein kann oder dass einfach auf dem Desktop die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass es zu Konversionen kommt, also dem Wandel vom Besucher zum Kunden. Tatsache ist, dass wir durch jahrelangen Versuch und Irrtum herausgefunden haben, wie man mit Desktop-Websites online Geld macht.

Die Schere zwischen "Traffic mit dem wir Geld machen" und "Traffic den wir haben" wird 2016 noch weiter auseinandergehen. Spannend wird sein, wie Medien damit umgehen werden. Klar ist: Mobile ist kein kleiner Desktop, alte Formeln funktionieren nicht mehr. Ich hoffe auf viele Experimente.

Reckoning – die Auswirkung der Netzneutralität

2015 hat die EU die Netzneutralität abgeschafft – und damit die Natur des Internets in Europa verändert. Bisher ist – zumindest von dem was öffentlich geworden ist – nicht viel passiert. Der Grund dafür: Die riesigen Internetprovider bewegen sich nur langsam. Daraus zu schließen, dass nichts passieren wird, ist falsch. Wenn sich die Internetprovider einmal bewegen, dann bleibt kein Stein mehr auf den anderen. 2016 werden wir die ersten Auswirkungen der unglaublich dummen, internet- und wirtschaftsfeindlichen EU-Entscheidung zu spüren bekommen.

Depression – Auflagen und Kontrolle

Mehr Regulierung, mehr und komplexere Steuern, mehr Auflagen, mehr Kontrolle, mehr Überwachung! Das ist kein Trend, der einen jubeln lässt. Und damit ist nicht nur der Quatsch gemeint, den Regierungen bezüglich Internet von sich geben. Mehr Auflagen bedeuten auch rechtlichen Aufwand in höherem Maße: Websitebetreiber müssen auf mehr Details aufpassen oder riskieren, aus ganz Europa – zum Beispiel von hyperaktiven Abmahnanwälten – verklagt zu werden.

Google agiert immer mehr als Content-Provider auf seinem eigenen monopolisierten Marktplatz. Facebook liefert gerade genug organische Reichweite, dass man dort weiter publiziert, den großen "Boah"-Effekt hat man allerdings nur, wenn man Geld einsetzt, und dieser Betrag wird höher und höher geschraubt. 2015 war schon ein arges Jahr, 2016 wird sich das fortsetzen.

Hoffnung – Zeit für Kreativität

Effektives Publizieren im Internet ist aufwendig, und es wird noch aufwendiger werden. Positiv dabei ist, dass wir mehr Möglichkeiten haben, um User zu erreichen – auch dank der mobilen Plattformen auf denen die User viel Zeit verbringen und wo sie online handeln. Es gibt mehr als einen dominanten Channel, um User zu erreichen und zu halten, und wenn wir erst einmal den Ballast losgeworden sind, werden wir einen besseren Job machen. Und wir haben wieder Zeit für das wichtigste: Neues!

Ja, das Internet wird von verschiedensten Seiten angegriffen. Dies wird vor allem zu einem führen: Mehr Kreativität! Der Mensch lässt sich nicht einfach in seinem Handeln beschränken, weder von Regierungen noch Quasi-Monopolisten. 2016 zählt professionelle Kreativität deshalb umso mehr. Denn so wie bisher kann es, darf es, soll es, wird es nicht weitergehen. (Franz Enzenhofer, 7.1.2015)