Schnee sollte niemanden vom Trainieren abhalten. Wichtig: Bei großer Kälte nicht zu stark außer Atem kommen.

Foto: Rottenberg

Auf der Prater-Hauptallee ist der Mann weltberühmt, zumal es vielen, die ihm begegnen, kalt über den Rücken läuft. Der rund 60-Jährige läuft im Baywatchlook. Bei jedem Wetter. Und fast jeder Temperatur: Auch bei Minusgraden wurde er schon mit Shorts und sonst nix (außer Schuhen) gesichtet.

Auch wenn andere bei seinem Anblick "fremdfrieren", wird der Nacktläufer nie angesprochen. Im Hobbysport gilt: "Regel eins, jedem seins." Man muss es ja nicht verstehen. Und was würde einer, der bei Schnee- und Graupelschauern freiwillig so unterwegs ist, wohl auf die Frage "Glauben Sie, dass das gesund ist" antworten? Eben.

Besser man fragt Experten. Robert Fritz etwa. Er ist Sportmediziner in der Wiener "Sportordination" und leitet das Medical Center des Vienna City Marathon und des Österreichischen Frauenlaufs, ist selbst aktiver Läufer, Triathlet und Mountainbiker. Er weiß: Freizeitsportler haben Sehnsucht nach absoluten Antworten auf Fragen wie "Ist das gesund?". Nur: Die gibt es nicht so pauschal, wie gewünscht wird. Auch hier gilt nämlich: Regel eins.

Grundlagenausdauer trainieren

"Prinzipiell" betont er, "spricht nichts gegen Sport im Freien bei kalten Außentemperaturen." Es käme nur auf die richtige Intensität an: "Bei lockerer Anstrengung, egal ob beim Laufen, Walken, Skilanglauf oder bei Skitouren, wird das Herz-Kreislauf-System nicht sonderlich belastet."

"Locker" heißt im Fachsprech "Grundlagenausdauer". Die Atmung ist ruhig und oberflächlich, die Muskulatur arbeitet im aeroben Bereich, es kommt zu keinem Laktatanstieg. Einfacher: Diese Belastung kann über lange Zeit konstant durchgehalten werden. Zu jeder Jahreszeit.

Bei Minusgraden kommt jedoch eines hinzu: Beim Einatmen durch die Nase wird die Luft befeuchtet und erwärmt. Im Winter ist das wichtig: "So wird eine übermäßige Belastung der Bronchien vermieden."

Nicht außer Atem sein

Darum gilt bei kalten Temperaturen im Freien: "Runter vom Gas". Fachlich formuliert: "Wird das Tempo und damit die Belastung erhöht, muss die Atmung forciert werden. Eine In- und Exspiration nur über die Nase ist dann kaum mehr möglich. Bei hoher Belastung wird kalte und im Winter speziell sehr trockene Luft tief in das Bronchialsystem eingeatmet, was zu einem Austrocknen der Schleimhäute führt." Das kann Infekte im HNO- und Bronchien-Bereich auslösen.

So weit, so pauschal. Doch die Tücke steckt im Detail: Wo endet "locker" ? Wo beginnt "kalt"? Fritz bedauert: "Harte Fakten gibt es da keine. Ob -5 °C oder -10 °C die Grenze darstellt, ist individuell verschieden." Faustregeln gibt es aber: Ab fünf Grad unter null empfiehlt Fritz, nur mehr Grundlage zu trainieren und Wettkämpfe zu meiden.

Und auf Vorerkrankungen zu achten: "Bei Menschen mit Atemwegserkrankungen, wie COPD oder Asthma bronchiale ist besondere Vorsicht geboten: Bei diesen Patienten ist das Lungengewebe vorbelastet. Da sollte das Training nach drinnen verlegt werden." Alle anderen schickt der Arzt an die frische Luft: "Wer im Winter regelmäßig im Freien trainiert, ist oft besser abgehärtet als Büromenschen."

Wer nach ("im Rahmen einer medizinischen Leistungsdiagnostik definierten!", Fritz) Herzfrequenzbereichen trainiert, soll das weiterhin tun: "Die verändern sich nicht. Nur bei extremer Kälte und ungenügend warmer Kleidung kann durch die vermehrte Wärmeproduktion auch die Herzfrequenz ansteigen."

Wärme von innen

Wobei in puncto Bekleidung eher das Gegenteil von "ungenügend" gilt: Laufende Michelin-Männchen in Skihose, Anorak, Pudelhaube und Expeditionsfäustlingen sieht man schon bei niedrigen Plusgraden. Nur: Das ist kontraproduktiv, sobald der Körper warm ist.

Auch wenn der Start Überwindung braucht, gilt: Zu Beginn sollte man leicht frieren, dann passt die Kleidung meist für längere Einheiten. Nach etwa zehn Minuten sollte einem warm werden. "Je höher die Intensität, desto höher die Wärmeproduktion. Bei höherer Intensität sollte daher die Kleidung kühler sein", so Fritz.

Bekleidungstechnisch gesehen, heißt das: Mütze, Halstuch und Handschuhe sind Grundausstattung. Ansonsten gilt: Zwiebelsystem. Also wind- und wasserabweisende Außenhaut, ein Feuchtigkeit vom Körper leitendes "Base-Layer" – und dazwischen keine, eine oder zwei wärmende Schichten. (Regel eins.).

Gut abgehärtet

Ein kleiner Rucksack ist da sinnvoll. Aber Vorsicht: verschwitze Shirts gefrieren. Und Feuchtigkeit macht jedes "Notshirt" unbrauchbar. Die Lösung: ein dünnes Nylonsackerl.

Nach dem Training muss der Körper dann rasch in die sprichwörtlichen "trockenen Tücher". Sportmediziner Fritz: "Zwei Stunden nach intensiven Belastungen sind Körper und Immunsystem besonders gefährdet. Da stehen Tür und Tor für virale oder bakterielle Infekte offen."

Die langfristig gute Nachricht: "Bei richtiger Trainingssteuerung sind sportliche Menschen im Winter deutlich weniger krank als unsportliche." (Thomas Rottenberg, 9.1.2016)