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Hurra, wir haben eine Steuerreform! Und wie kündigt die Politik diese schwere Geburt an? Immer mit ein und derselben Formel, nämlich jener, dass die Bürger von nun "mehr Geld im Börsel" haben werden. Dem schwarzen Finanzminister Schelling kommt das Börsel ebenso von den Lippen wie dem roten Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid, und wahrscheinlich erinnert sich mancher noch daran, dass es Karl-Heinz Grasser ebenfalls gerne im Mund führte. Und das, obwohl ihm zum Transport seines eigenen Bargelds das Börsel gelegentlich nicht ausreichte, sondern er zum Koffer greifen musste.

Der Börselspruch hat manche Vorteile: Erstens ist er weniger klobig als andere Formulierungen desselben Sachverhalts ("Durch die Steuerreform profitiert jeder Einkommensbezieher ..." usf.). Zweitens ist das Börsel ein waschechter Austriazismus, also etwas für Sprachpatrioten.

Das Österreichische Wörterbuch schreibt das Börsel ohne -e ("Börsl") und nennt es "umgangssprachlich", während der Duden nur "die Börse" – nicht deren Diminutiv – kennt. Als Kurzform für die "Geldbörse" gebraucht sei die Börse "österreichisch", wer sie in Deutschland so verwendet, befleißige sich eines "gehoben veralteten" Sprachgebrauchs.

"Die Börse" ist bekanntlich nicht nur ein Geldbeutel. Wir greifen wieder zum Standardwerk von Etymologiepapst Kluge und lesen dort, dass das mittellateinische "bursa" (Geldbeutel) schon "früh zu einem Ausdruck für 'gängige Währung' und 'Geldwechsel' wird, dann für 'Ort, an dem der Geldwechsel stattfindet'", zuletzt für (Wertpapier-) Handelsplatz im weiteren Sinn.

Für Börsianer war die Börsenwoche hochturbulent, nachdem die chinesische Regierung erst "Notbremsen" zur Verhinderung drastischer Kursverluste aktiviert und dann den Yuan tagelang abgewertet hatte. Erst am Freitag beruhigte sich die Lage. Skeptiker meinen aber, für eine Entwarnung gebe es keinen Grund. Wenn es übel hergeht, könnte die Börse in Peking zum Börsl schrumpfen, im schlimmsten Fall mit nachfolgendem Börslkrach. (win, 9.1.2016)