Los Angeles – Eigentlich dauert jede Preisverleihung zu lange, jedenfalls wenn man Zeremonien als Veranstaltungen betrachtet, bei denen es darum geht, den Auszuzeichnenden Trophäen in die Hand zu drücken, für die sie sich möglichst kurz, aber artig bedanken müssen. Andererseits ist jede Zeremonie eben auch ein feierlicher Akt, der eine bestimmte Weile braucht, um seine Wirkung zu entfalten.
Insofern war es durchaus stimmig, dass man Sonntagnacht einige Zeit benötigte, um der Übertragung der 73. Verleihung der Golden Globes ansichtig zu werden. Hatte in den vergangenen Jahren noch das deutschsprachige Privatfernsehen diesbezüglich ausgeholfen, war man heuer als Europäer ohne Bezahlfernsehen auf den US-Sender NBC angewiesen, der wiederum kurzfristig seinen Streamingdienst einstellte: alles Schwarz statt Gold.
Familiärer Rahmen
Doch Not macht manchmal tatsächlich erfinderisch, und wer wollte oder musste, konnte schließlich doch den britischen Comedian Ricky Gervais dabei beobachten, wie er zum vierten Mal als Gastgeber im Beverly Hilton Hotel versuchte, bei den versammelten Anwärtern aus der US-Film- und Fernsehbranche für gute Stimmung zu sorgen. Ein leichtes Unterfangen, denn bei den Golden Globes, verliehen von der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) und hartnäckig als Barometer für die nahende Oscargala angesehen, hat man sich irgendwann für einen eher familiären Rahmen entschieden.
Das gesellige Beisammensein an schönen Tischen mit guten Getränken steht hier jedenfalls im Vordergrund, und manchmal erhebt sich jemand, um eine vergoldete Erdkugel entgegenzunehmen, vorausgesetzt er oder sie – man erinnert sich an Renée Zellwegers legendären "bathroom break" – ist gerade im Saal.
Was bei derartiger Partylaune dennoch nie fehlen darf, weil ja doch ein gewisser Teil der Welt zuschaut, ist das schlechte Gewissen. Und so durfte auch diesmal der Appell gegen Gewalt, Intoleranz und Ungerechtigkeit sowie an die eigene Verantwortung nicht fehlen, eingedenk des Einflusses, den man als Hollywoodstar habe – "to make the world a better place". Genau.
Kleine Schritte, große Taten
Doch neben den eingestreuten Sticheleien gegen Feind und Freund, also Donald Trump und die eigene Clique, gab es auch diesmal Preise. So konnte man in der Sparte Fernsehen ein Gleichgewicht der Kräfte – also ein Unentschieden – feststellen: Während mit dem zweifach ausgezeichneten Mozart in the Jungle, einer Geschichte rund um die New Yorker Philharmoniker und ihren neuen Dirigenten, wie bereits vergangenes Jahr eine Amazon-Produktion im Bereich Musical/Comedy den Ton angab, wurden im ernsten Fach die Thrillerserie Mr. Robot und ihr Hauptdarsteller Christian Slater belohnt.
Bei den Filmpreisen ging es einmal mehr darum, welcher der Favoriten am Ende als Sieger in den wichtigsten Kategorien hervorgehen würde. Dass gleich mehrere Produktionen bereits in den heimischen Kinos zu sehen sind, machte das Öffnen der Kuverts zumindest beim Zuschauen ein wenig spannend. Und man konnte durchaus darüber überrascht sein, dass das fünffach nominierte Drama Carol von Todd Haynes komplett leer ausging. Jennifer Lawrence hingegen durfte für ihre Hauptrolle im Biopic Joy ihren dritten Golden Globe in Empfang nehmen, während sich Ridley Scotts humorvolles Weltraumepos Der Marsianer als beste Filmkomödie ebenso durchsetzte wie Matt Damon als Astronaut.
Der große Gewinner des Abends – mit Auszeichnungen für die beste Regie, Hauptdarsteller und Film – war jedoch Alejandro G. Iñárritus Western The Revenant, in dem Leonardo DiCaprio an den Grenzen der Zivilisation an jene der eigenen Leidensfähigkeit geht. Seine Darstellung als durch eine Winterhölle taumelnder Trapper ist für DiCaprio ein wichtiger Schritt: Vielleicht kommt als Belohnung für die Tortur am 28. Februar endlich der erste Oscar. (Michael Pekler, 11.1.2016)